Alternativer Titel: Kalt wie Eis
Produktionsland: Deutschland
Produktion: Wolf C. Hartwig, Karl Spiehs
Erscheinungsjahr: 1981
Regie: Carl Schenkel
Drehbuch: Carl Schenkel
Kamera: Horst Knechtel
Schnitt: Norbert Herzner
Spezialeffekte: -
Budget: ca. -
Musik: TEMPO, NEONBABIES, MALARIA, BLIXA BARGELD, MDK, BEA
Länge: ca. 83 Min.
Freigabe: ungeprüft
Darsteller: Dave Balko, Blixa Bargeld, Rolf Eden, Dieter Maass, Claus-Dieter Reents, Otto Sander
Der 20jährige Dave Balko sitzt im Gefängnis da er gestohlene Motorräder umfrisiert hat. Obwohl man Dave versprochen hat ihn aus dem Gefängnis zu holen, kommt man diesem nicht nach. Als seine Freundin Corinna ebenfalls nicht mehr zu Besuch kommt bricht Dave aus. Sein Ziel ist es nun mit seinen alten „Freunden“ abzurechnen, allerdings steuert Dave schnurstracks auf ein menschliches Drama zu.
Der Film startet in einer Vollzugsanstalt. Eine Zelle in der sich der Hauptakteur Dave Balko aufhält und von Eddingbeschmierten Wänden umgeben ist. Da hier Parolen wie „No Future“ die Wände zieren, erklingt unüberhörbar der Startschuss zu einer Zeitreise in die frühen 80er Jahre. Eine Zeit in der die Perspektivenlosigkeit vereinzelnd zum Lebensmotto erhoben wurde. Eine Zeit ohne Zukunft die von den neuen und von der Gesellschaft gehassten Rebellen beherrscht wurde.
Der in der Zelle platzierte tragbare Fernseher lässt die Melodie der Tageschau erklingen und Dagmar Berghof spricht von einem Treffen zwischen Helmut Schmidt und Ronald Reagan. Spätestens hier sollten alle gegenwärtigen Eindrücke einer computerisierten Welt abgelegt werden. Spätestens jetzt sollte der Zuschauer seinen Weg in ein Berlin der frühen 80er gefunden haben.
Carl Schenkels Bilder innerhalb der Zelle lassen einen starken Eindruck von herrschender Depression erkennen. Bilder die von Dave Balko eingefangen werden, erinnern an Ulrike Meinhofs Aussagen: „Das Gefühl, die Zelle fährt. Man wacht auf, macht die Augen auf, die Zelle fährt.“ Ein Wink zum Terrorismus in Deutschland, zur Hausbesetzerszene? Interpretationsmöglichkeiten gibt es genug, also sollte sich jeder selber, sofern er es mag mit diesen anfänglichen Bildern auseinandersetzen und diese resümieren.
Nach Daves Ausbruch tauchen wir in die Berliner Szene und besuchen ein Konzert der Band Tempo. Bemalte Lederjacken und Nieten hüpfen vor der Bühne und Dave wird auch gleich in die erste Schlägerei verwickelt. Die Prügeleien die innerhalb „Kalt wie Eis“ praktiziert werden haben es übrigens durchaus in sich. Es geht authentisch und derbe zu Sache, das Blut und eine nicht vorhandene Gewalthemmschwelle diktiert das Geschehen.
Im Bereich der Darsteller/ innen macht Dave Balko eine gute Figur. Die Mischung aus Hass, Liebe und Enttäuschung lassen Dave einiges an Spielraum für seine Rolleninterpretation. Die Rolle von Daves Freundin Corinna wird von der Wiesbadenerin und der Playboy Miss August 1980, Brigitte Wöllner dargestellt. Brigitte weiß nicht nur optisch zu gefallen, sondern auch mit ihrem natürlichen und sehr unbekümmert wirkenden Spiel. In der Rolle von Kowalsky sehen wir einen routinierten Otto Sander, dessen Stiefsohn bekanntlich Ben Becker ist und der wiederum lt. eigener Aussage (im Buch: Verschwende deine Jugend) in der frühen Berliner Punkszene aktiv war. Last but not least, dürfen wir uns- wie jedes Mal wenn er in einem Film mitwirkt- auf Dan van Husen freuen. Dan ist wie immer eine Bereicherung, da er in der Verkörperung des Bösewichts einfach großartig ist.
Was die musikalische Seite anbelangt, so bekommt man neben dem Auftritt der Band Tempo noch weitere Highlights geboten. Zum einen Blixa Bargeld der ohne die „Neubauten“, in einem Laden namens „Blumengalerie“ den Song „Skorbut zum Besten gibt. Die Neonbabies mit Inga und Annette Humpe, die den Song „Spaß muss sein“ interpretieren. Eine Studioaufenthalt von den Malaria Mitgliedern Gudrun Gut und Bettina Köster (?) und die Einspielung des Abwärts Klassikers „Computerstaat“.
Was den Film immer wieder auszeichnet ist sein desillusionierendes Bild. „Kalt wie Eis“ gewährt nur den Blick in eine tragische Zukunft. Eine Aussichtlosigkeit die folglich zu einer nihilistischen Grundhaltung und einem nihilistischen Ende führt.
Fazit: Eine schöne Zeitreise in das Berlin der frühen 80er, die dem Zuschauer nicht nur Sex an Violence, sondern auch einen Blick auf den deutschen Punk und New Wave gewährt. Nicht nur für Altpunks und 80er Jahre Nostalgiker interessant.
8,5/10