Brief an die FSK Behörde

    • Brief an die FSK Behörde

      Ich habe grade diesen Offenen Brief im internet gefunden! Ich finds grnial was der schreibt:


      EIN OFFENER BRIEF ZUR GÄNGIGEN PRAXIS DER FREIWILLIGEN SELBSTKONTROLLE DER FILMWIRTSCHAFT, SELBST AB18-EINGESTUFTE KINOFILME ZU ZENSIEREN.


      Sehr geehrte Freiwillige Selbstkontrolle (FSK),


      Aus aktuellem Anlass habe ich ein paar Fragen an Sie und bitte um Ihre Stellungnahme (dieser Brief geht auch an nationale (Film-)Magazine und -internetseiten).

      Sie haben dem Kinofilm JOHN RAMBO, der seit vergangenem Donnerstag in den deutschen Lichtspielhäusern läuft, in seiner ungekürzten Fassung die Freigabe verweigert. Die Begründung: "schwere Jugendgefährdung". In meinem Kino läuft nun eine gekürzte Fassung mit dem Siegel "keine Jugendfreigabe". Im Klartext: Kein Jugendlicher erhält Zutritt. Wenn ich logisch kombiniere, bedeutet das, dass es für das Siegel "keine Jugendfreigabe" vollkommen unerheblich sein müsste, ob ein Film "schwer jugendgefährdend" einzustufen ist oder nicht. Weshalb sehen Sie das anders?

      Meine einzige Erklärung: Sie gehen davon aus, dass es unter Umständen passieren kann, dass Minderjährige in den "Genuss" eines solchen Machwerkes kommen könnten. Kann das bei Filmen, die "keine Jugendfreigabe" bekommen, nicht passieren? Wenn man nun davon ausgeht, dass auch Leute Filme sehen, die nicht die geeignete Altersstufe erreicht haben, ist dann nicht das ganze Prinzip der Freiwilligen Selbstkontrolle von vorn herein ad absurdum geführt? Müsste man dann nicht so konsequent sein, sämtliche Filme vom deutschen Markt zu nehmen, die nicht "ohne Altersbeschränkung" freigebbar sind?

      Ich muss gestehen: Ich schreibe in Unkenntnis von JOHN RAMBO. Ich schaue mir aus Prinzip keine zensierten Filme an, auch und gerade deshalb, weil ich in einem Land lebe, in dem laut Grundgesetz keine Zensur stattfindet. Ich kenne aber dank Auslandsaufenthaltes die von Ihnen kürzlich ebenfalls beanstandeten Filme SAW III, THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE - THE BEGINNING und sogar DARD DIVORCE (letzterer von ihrem Lieblingsregisseur Olaf Ittenbach) in ihren unzensierten, von den Künstlern so intendierten Fassungen. Deshalb spreche ich mir die Kompetenz zu, mich zu dieser Thematik zu äußern.

      Ich gebe zu: Es sind extreme Filme. Und ich gebe zu: Es war meine freiwillige, selbst getroffene Entscheidung, sie mir anzusehen, mich ihnen auszusetzen. Ich bin 27 Jahre alt und nehme mir dieses Recht. Weshalb nehmen Sie sich das Recht, mich in dieser Hinsicht zu bevormunden?
      Die Filme werden Ihnen von den Verleihfirmen zur Sichtung vorgelegt, wofür sie einen vierstelligen Betrag entrichten. Ohne Ihre Einstufung darf ein Film in Deutschland nicht beworben und frei verkauft werden. (Was die Frage aufwirft: Weshalb steht das "F" in "FSK" für "Freiwillig" und das "S" für "selbst"…?) Diese Einstufung nimmt eine wechselnde Gruppe von Personen vor. Weshalb kann diese Gruppe von Menschen Filme in Fassungen sehen, vor denen ich offensichtlich geschützt werden muss? Was macht sie resistenter gegen "schwere Jugendgefährdung" als mich 27-Jährigen? Ich bitte, diesen Personen meinen Dank und meine Hochachtung auszurichten, dass sie sich all diesem augenscheinlichen Schund, der nicht als Kunst einzustufen und somit zensierbar ist, aussetzen und ihre geistige Gesundheit und psychische Entwicklung mir zu Liebe aufs Spiel setzen. (Was mich zu der Frage führt: Ist Schund, der zensiert wird, dadurch kein Schund mehr und auf einmal Kunst? Dann habe ich noch weit größere Hochachtung! Das nennt man aus (zensiert) Gold machen. Sie sollten Horrorfilme drehen.) Ich habe höchsten Respekt davor, dass sie (noch!) nicht Amok laufen. (Ein Amoklauf steht für die nächste Zeit übrigens auch nicht auf meiner Agenda - obwohl ich SAW III, TEXAS CHAINSAW MASSACRE - THE BEGINNING und sogar DARD DIVORCE unzensiert gesehen habe. Ich bin gespannt, was passiert, wenn ich JOHN RAMBO gesehen habe… Sollte es soweit sein: Ich verspreche, ich gehe dazu in das Land, dass mich diese Filme hat sehen lassen.)


      Um nicht missverstanden zu werden: Nicht über Amokläufe mokiere ich mich - jeder einzelne ist eine furchtbare Tragödie -, sondern über den gesellschaftlichen und politischen Umgang mit ihnen. Dieser zeugt zumeist von Hysterie und blindwütigem Aktionismus, selten von Verantwortungsbewusstsein. In dieser Hinsicht habe ich noch einen: Ich weiß aus sicherer Quelle, dass sich der Amokläufer von Erfurt jeden Abend, bevor er zu Bett ging, die Zähne geputzt hat. Ich beantrage, Zahnbürsten zu verbieten und Dr. Best, den alten Tomatenfolterknecht, vor Gericht zu stellen - ein unmittelbarer Zusammenhang ist nicht von der Hand zu weisen. Ist das geschmacklos? Ich halte es für geschmacklos, auf Kosten von Todesopfern und ihren Angehörigen billigen Populismus zu betreiben.
      Ich stelle fest: Die Menschen tun sich Gewalt an, seitdem sie auf der Erde sind (schon mal die Anfangssequenz von Kubricks 2001 gesehen?) Die Kunst bringt diese Gewalt nicht hervor (Kubricks 2001 ist KEINE zeitgenössische Produktion). Sie reflektiert sie. Sie hilft uns, mit ihr umzugehen, ihre Mechanismen eventuell sogar ein Stück weit verstehen zu lernen. Die reale Gewalt bringt Filmgewalt hervor, nicht umgekehrt. Ich ahne Ihren Einwand: "Ist es denn auszuschließen, dass die dokumentierten jugendlichen Amokläufer aufgrund von Filmen, Musik und Computerspielen zu ihren Taten angestiftet wurden?" Es wäre naiv und genauso blind populistisch, dies schlicht zur verneinen. Nur: Ich behaupte, dass diese Fehlgeleiteten früher oder später auch ohne diesen Einfluss zu tickenden Zeitbomben mutiert wären. Die Wurzeln liegen nicht in ihrem DVD-Regal, sondern in ihrem familiären und soziokulturellen Umfeld. Und diese Wurzeln heben Sie mit dem Verbot von JOHN RAMBO, HALF LIFE und MARILYN MANSON nicht aus. Zur Sicherheit können wir aber gerne die Zahnbürsten aus den Supermarktregalen unter die Ladentheken verbannen.

      Nun einmal ganz ohne Ironie: Ich respektiere Ihre Arbeit und finde eine Alterseinstufung sinnvoll und wichtig. Nicht jeder Film ist für jedes Alter geeignet und es ist gut, wenn sich kompetente Leute damit auseinandersetzen. Ich habe den Eindruck, dass Sie diese Verantwortung sehr ernst nehmen und ihr auch gerecht werden. (Gelegentliche Fauxpas - wie die ab6-Freigabe für den mit expliziten sexuellen verbalen und visuellen Inhalten gespickten KEINOHRHASEN oder umgekehrt die kJ-Feigabe für BLACK SHEEP, eine harmlose schwarze Komödie mit für zumindest jeden 16-Jährigen durchschaubaren Effekten - können durchaus vorkommen und stellen Ihr Tun nicht in Frage.) Aber gebietet es nicht der gesunde Menschenverstand, dass es mit einer Freigabe ab18 genug sein muss? Filme für Erwachsene zu zensieren ist Bevormundung eben jener Erwachsener. (Wenn ich das richtig verstanden habe, sind "kJ"-freigegebene Filme noch "schlimmer" als ab18-Filme und werden ihrerseits noch von Filmen mit "SPIO"-Siegel getoppt?)

      Kurz zu meiner Person: Ich bin tatsächlich schon als Minderjähriger an "schwer Jugendgefährdende" Filme herangekommen. Peter Jacksons Splattermeisterwerk BRAINDEAD sah ich zum ersten Mal mit 14 Jahren - nicht die damals in Deutschland erhältliche um sechs Minuten gekürzte, sondern die völlig unzensierte Version. Die deutlich als solche erkennbaren, nicht mit der Realität zu vereinbarenden Spezialeffekte haben mich als Pimpf begeistert und nicht verstört, sondern vielmehr zum Lachen gebracht. Daraufhin habe ich mich, selbstverständlich gegen das Verbot meiner verantwortungsbewussten Eltern, in eine Nachmittagsvorstellung von Quentin Tarantinos und Robert Rodriguez' Vampirfarce FROM DUSK TILL DAWN geschmuggelt. (Meiner Beobachtung nach sind Kinobetreiber in dieser Hinsicht inzwischen strenger geworden - zum Glück!) Die Nacht darauf habe ich wunderbar geschlafen. Nur nach dem Kinobesuch von JURASSIC PARK habe ich mich eine Woche nicht aufs Klo getraut - FSK: völlig zu Recht ab12. Es gehört zum Erwachsenwerden dazu, mit Ängsten konfrontiert zu werden. Nicht umsonst wimmelt es in den Märchen der Gebrüder Grimm von grausamen Hexen und ist der Struwwelpeter ein wahres BLOOD FEAST (der Film dieses Titels aus dem Jahre 1963 ist meines Wissens immer noch beschlagnahmt?) Der sichere Kinosessel - und in meinem Fall zusätzlich die Toilette - ist der beste Platz dafür.
      Ich habe nicht nur mein Abitur bestanden, ich bin sogar gerade dabei, meinen Universitätsabschluss zu machen. Fach: Medienwissenschaft. Ich habe mich zu einem pazifistischen, gesellschaftsfähigen Bürger dieses Landes entwickelt, der noch niemals mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist. Meine letzte Schlägerei hatte ich im Alter von elf Jahren (also VOR meiner Entdeckung der "schwer jugendgefährdenden" Filmkunst). Dazu bin ich nicht trotz, sondern (auch) wegen meiner Leidenschaft für extreme Filme geworden - und alle Anzeichen sprachen eigentlich dagegen: Ich bin darüber hinaus großer Heavy-Metal-Fan und habe auch schon Nächte mit PC-Ballerspielen verbracht. (Ach ja - Comicfreund bin ich auch noch, aber die sind ja seit etwa 40 Jahren weitgehend aus der Schusslinie.) Dazu komme ich aus einem christlichen Elternhaus und kannte die blutrünstigen Geschichten des Neuen und Alten Testaments bereits im Kindergartenalter. (Nur so am Rande: Im Alten Testament gilt Gewaltanwendung durchaus als probates Konfliktlösungsmittel - ist das nicht eines Ihrer Kriterien für "schwere Jugendgefährdung"…?) Meine Leidenschaft für extreme Kunst, die wie eben beschrieben, etwa mit 14 Jahren aufkam, hat mich nicht behindert, sondern sogar gefördert. Ich habe weit bewusster als meine Altersgleichen über Kunst zu reflektieren angefangen. Warum? Weil es mir ein Rätsel war, warum das, was mich begeistert hat, andere abstieß. Weil ich mich immer in der Position sah, mich für das, was mich faszinierte, rechtfertigen zu müssen.

      Wie es möglich sein kann, dass ich mental nicht degenerierter bin als der Durchschnittsdeutsche, erkläre ich mir neben meinem gefestigten Elternhaus mit der Katharsis-Theorie des Aristoteles (384 - 322 v. Chr.). Simpel ausgedrückt besagt sie:
      Theaterschauspieler leben in ihrer Darstellung extremer Emotionen diese stellvertretend für den Zuschauer aus und dieser wird so vom sicheren Platz und ohne Gefährdung Dritter von ihnen gereinigt. Wie hätte Aristoteles wohl darauf reagiert, wenn in Sophokles' Ödipus die blutigen Szenen zensiert worden wären...? Er hätte ein Schreiben an die verantwortliche Behörde verfasst.

      Ich bin neben meinem Studium Veranstalter eines Festivals für extreme Filme. (Keine Sorge: Wir führen bewusst strenge Alterskontrollen durch!) Durch diese Tätigkeit komme ich mit vielen Fans extremer Filmgenres in Kontakt. Meine Beobachtung: Hierbei handelt es sich um Menschen, die sehr bewusst über Kunst im Allgemeinen und Filmkunst im Speziellen reflektieren, sehr kritisch damit umgehen. Sie teilen meine Faszination für ausgefeilte Special-Effects, für die Auslotung von Grenzbereichen auf künstlerischer Ebene, für schwarzen Humor und die Infragestellung von Tabus. Für die Leute, mit denen ich in diesem Rahmen zu tun habe, kann ich sagen, dass sie ebenso meine pazifistische Weltanschauung teilen und niemals eine Hand - geschweige denn ein Hackebeil oder eine Kettensäge - gegen einen anderen Menschen erheben würden. Kunst ist Reflexion. Kunst führt zu Reflexion. Auch und gerade extreme Kunst. Nach meiner Erfahrung, die auch auf dem Besuch ausländischer Filmfestivals beruht, führen gerade extreme Filme bei einem volljährigen Publikum weniger zu psychischen Schäden als vielmehr zu angeregten Diskussionen auf einem intellektuellen Niveau, zu denen ein E-MAIL FÜR DICH niemals anregen kann (und nicht will). Oft genug werden diese Filme für ihre deutsche Kino- und DVD-Auswertung von Ihnen ihrer Spitzen beraubt. Zu Diskussionen geben diese Fassungen keinen Anstoß mehr, sie sind tatsächlich nur noch stumpfe Genreproduktionen ohne Daseinsberechtigung.


      Was tatsächlich verboten gehört, nicht unter den Deckmantel der Kunst gekehrt werden darf und von Ihnen auch geahndet wird: Jeder Film, durch den Geschöpfe unfreiwillig zu schaden kommen. Dazu zählen Filme mit volksverhetzendem Inhalt, Tier- und Kinderpornografie und Snuff-Produktionen. Apropos: Kennen Sie die berühmtesten Snuff-Aufnahmen der Welt? Sie liefen am 11. September 2001 rund um die Uhr live auf allen Fernsehsendern dieser Welt. Auf die Idee, dass es für Minderjährige zutiefst verstörend sein kann, reale Menschen aus dem drölfzigsten Stock in den sicheren Tod zu springen, kam nur der Horrorfreak - ich habe meinen damals 12-jährigen Bruder aus dem Zimmer geschickt und den Fernseher ausgemacht. Diese Bilder in Wiederholungsschleife stumpfen weit mehr ab als ein kettensägenschwingender Irrer in Menschenhautmaske in einem fiktiven Horrorfilm.

      Wenn Sie tatsächliche Jugendgefährdung ausmachen wollen, brauchen Sie nur zur Nachmittagszeit den Fernseher einzuschalten (ich weiß, dafür sind Ihre Kollegen von der FSF verantwortlich): Zu Uhrzeiten, in denen Kinder aus der Schule zurück, ihre Eltern aber noch in der Arbeit sind, bekommt der Knirps beispielsweise in Gerichtsshows, die sich den Anschein der Realität geben, den ein Achtjähriger nicht in der Lage ist zu durchschauen, Vergewaltigungen, Nötigungen, Misshandlungen, Kindesmissbrauch,… en masse vorgesetzt. Da dies alles täglich und in mehreren Sendern ausgestrahlt wird, wird suggeriert, solche Verhältnisse seien normal. Hätte es dieses Programm in meiner Kindheit gegeben, ich wäre zum Spielen nur noch in den Keller gegangen. Aber nicht in den von Freunden...
      Wenn Sie gegen "Verletzung der Menschenwürde" (wenn ich recht informiert bin, ist das eines ihrer Kriterien, die zu Indizierung führen können) vorgehen wollen, schalten Sie Boulevardmagazine wie RTL Explosiv ab. Hier werden reale Menschen vor die Kamera gezerrt, die vor einer Reportermeute zu Fragen wie "Ihr dreijähriger Sohn wurde soeben von einem Mähdrescher überfahren. Wie fühlen Sie sich?" genötigt werden. Wobei Sie mir an dieser Stelle erklären können, wie ein Special-Effects-Künstler die Menschenwürde verletzten kann, wenn er einen mit Kunstblut gefüllten Plastikball zum Platzen bringt?


      Mein Fazit: Jugendschutz ja. Erwachsenenschutz nein.


      Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bin sehr gespannt auf Ihre Antwort. Sollte ich mitunter in meiner Wortwahl zu schroff geworden sein, entschuldige ich mich. Es liegt nicht in meiner Absicht, Sie zu beleidigen. Sollte dies stellenweise doch der Fall sein, sehen Sie uns als quitt an - ich empfinde es nämlich als persönliche Beleidigung an, nicht selbst über mein Unterhaltungsprogramm bestimmen zu dürfen.


      Matthias Engelhardt

      PS: Seien Sie versichert: Trotz des mitunter sarkastischen Tonfalls ist es mir mit diesem Schreiben durchaus ernst.




      Ich habe zu dem Streitfall JOHN RAMBO auch einen Leserbrief an die Zeitschrift CINEMA geschrieben, den ich Ihnen nicht vorenthalten will:


      Hallo, CINEMA!

      Zu dem Thema JOHN RAMBO. Ich persönlich finde die von Euch angestoßene Gewaltdiskussion lächerlich. Sylvester Stallone hat einen Film für Erwachsene gemacht. Jedem, der über 18 Jahre alt ist, sollte zugestanden werden, selbst für sich entscheiden zu können, was er sich antun mag und was nicht. Ich selbst würde mir den Film sehr gerne antun, doch die FSK erklärt mich, Alter 27, für unmündig. Während also ein Film wegen "schwerer Jugendgefährdung" auch einem volljährigen Kinopublikum nicht in voller Länge zugemutet werden kann (ungeachtet der Tatsache, dass man ab18 kein Jugendlicher mehr ist), gibt man einen Film wie KEINOHRHASEN ab6 Jahren frei (eineinhalb Monate nach Kinostart auf ab12 hochgestuft). Ein witziger und intelligenter Film und Til Schweiger sei sein Erfolg gegönnt (zumal er ganz offensichtlich nicht auf ein Grundschulpublikum aus war). Doch nicht davon auszugehen, dass es auf sechs- bis elfjährige verstörend, also jugendgefährdend wirken kann, wenn sich nackte, stöhnende Erwachsene auf einander übergeben oder sich in der Genitalgegend herzen, ist fahrlässig.

      (An dieser Stelle eine kleine Anmerkung: Wenn John Rambo eine Kehle durchschneidet, ist das ein Spezialeffekt. Wenn John Rambo einen Mann mit MG-Salven durchsiebt, ist das ein Spezialeffekt. Wenn Nora Tschirner nackt vorm Badezimmerspiegel steht, ist das kein Spezialeffekt. Dieser Unterschied ist vielleicht Sechsjährigen nicht klar, aber definitiv jedem 18-Jährigen.)

      Die Begründung der FSK für die ab6-Freigabe: das kindgerechte Setting im Kindergarten.

      Mein Vorschlag an Sylvester Stallone: Lass RAMBO V im Kindergarten spielen! Da kannst du dann so viele (nackte!) Köpfe explodieren lassen, wie es dir beliebt - das "besonders wertvoll"-Siegel ist dir sicher.


      Matthias Engelhardt


      PS: JOHN RAMBO läuft in unserem Nachbarland Österreich ungekürzt. Ich werde nie wieder in Österreich Urlaub machen. Die Gefahr, auf lauter durch RAMBO verrohte, geistig verwirrte Alpenländer zu treffen, die nicht zwischen Film und Realität unterscheiden können, ist mir einfach zu groß.


      Quelle: darkeyespromotion.de/index.php/ein-offener-brief
      "Ich weiß auch, dass die einzige Möglichkeit, einen von den Geistern dieses Buches Besessenen aufzuhalten, darin besteht, seinen Körper völlig zu zertückeln."
    • Cool geschrieben, aber schon ein paar Jährchen alt (2008)
      Die Beispiele Keinohrhasen und Black Sheep finde ich sehr treffend!

      Wäre interessant zu erfahren ob er jemals ne Antwort bekommen hat...
    • Wirklich gut geschrieben und trifft den Kern. Das Problem ist weniger die FSK, sondern eine veraltete und nicht an die Realität angepasste Gesetzgebung. Dazu kommen Hetzen durch die Massenmedien (die der Autor ja auch anspricht), die eine vernünftige Reform der Gesetze verhindern bzw. diese noch verschlimmern.

      Es würde helfen, wenn alle Filme einfach als Kunstwerke angesehen werden würden und diese gleichwertig zu "normalen" Kunstwerken wie Skulpturen oder Gemälden behandelt. Das würde Zensur verhindern. Wenn man dann noch ein Siegel "FSK 21" einführt, dann sollte eigentlich alles geklärt sein, denn ab 21 ist ja keiner mehr jugendlich.
      Das einzige Problem wären dann nur noch Filme, die gegen das Grundgesetz verstoßen (z. B. Nazipropagandafilme wie "Jud Süß"), aber da sollte man vernünftige Regelungen finden. Es fehlt jedoch der Wille...


      "das ist nicht möglih, einzig sabrina könnte man hart ran nehmen, die würde mit tollwütige hunde aus einer schüssel essen.. " Dr. Doom - Shoutbox am 22.08.2013
    • Guter Brief, schlüssig argumentiert - wenn auch mit ordetlich Sarkasmus ;)

      Das Problem ist, dass man nicht weiß, wer in der FSk sitzt. Ist es ein filmerfahrenes, durchmischtes Gremium oder sitzen hier Alte, Konservative und radikale Christen?
      Und was an der Selbstkontrolle freiwillig sein soll... naja wissen wir ja alle. Ich glaube ein Film ohne FSK-Siegel lässt sich im normalen Laden schwer verkaufen, oder?
      "Menschen erschaffen gerne Monster. Und Monster ... zerstören eben ihre Schöpfer.!"

      Harlan Wade, F.E.A.R.
    • Da sitzen Medienpsychologen. Alle Altersklassen.


      "das ist nicht möglih, einzig sabrina könnte man hart ran nehmen, die würde mit tollwütige hunde aus einer schüssel essen.. " Dr. Doom - Shoutbox am 22.08.2013
    • Ich hab diesen Brief gelesen und dacht mir eben nur, man da trifft einer auf den Punkt! Einfach blödsinn was uns die FSK da bietet. Theoretisch schaden die damit der deutschen Filmindustire da jeder der ein wenig Ahnung von Filmen hat, zur Auslandsversion greifen wird. Klasse :prop:
      "Ich weiß auch, dass die einzige Möglichkeit, einen von den Geistern dieses Buches Besessenen aufzuhalten, darin besteht, seinen Körper völlig zu zertückeln."
    • "Zu Uhrzeiten, in denen Kinder aus der Schule zurück, ihre Eltern aber noch in der Arbeit sind, bekommt der Knirps beispielsweise in Gerichtsshows, die sich den Anschein der Realität geben, den ein Achtjähriger nicht in der Lage ist zu durchschauen, Vergewaltigungen, Nötigungen, Misshandlungen, Kindesmissbrauch,… en masse vorgesetzt. Da dies alles täglich und in mehreren Sendern ausgestrahlt wird, wird suggeriert, solche Verhältnisse seien normal. Hätte es dieses Programm in meiner Kindheit gegeben, ich wäre zum Spielen nur noch in den Keller gegangen."

      lol lol lach, also nee, ernstnehmen kann ich sowas nicht, oder sowas:

      (Wenn ich das richtig verstanden habe, sind "kJ"-freigegebene Filme noch "schlimmer" als ab18-Filme und werden ihrerseits noch von Filmen mit "SPIO"-Siegel getoppt?)

      das ganze hat etwas pubertäres ansich, garniert mit unendlichem halbwissen
      I know nobody's listening 'cos you're all looming, but I got a shot of hot rock 'n roll for you anyway... - KOKLA Red River Rock 'n Roll Request.
    • Ich liebe diesen Brief, genau der richtige Sarkasmus, nette Beispiele, sagt genau was ich zu diesem Thema sage und denke. Wirklich spitze.. Hoffentlich kriegen die jeden Tag 1000 von solchen Briefen. Ich könnt mich einfach so über sowas aufregen.. Wir leben angeblich in einem freien Land.. tja totally.. Deutschland das Land mit den meisten unnötigen Gesetzen :11:
      BAAAAAAAAH ich bekomme aggressionen von solchen Leuten.. und bekommen wahrscheinlich auch noch einen mega tollen verdienst für den Kram die diese da veranstalten.. Für die Tonne.. ABER MEGA..

      "PS: JOHN RAMBO läuft in unserem Nachbarland Österreich ungekürzt. Ich werde nie wieder in Österreich Urlaub machen. Die Gefahr, auf lauter durch RAMBO verrohte, geistig verwirrte Alpenländer zu treffen, die nicht zwischen Film und Realität unterscheiden können, ist mir einfach zu groß."

      Super geil lol
    • Original von Anyu:

      Da sitzen Medienpsychologen. Alle Altersklassen.


      Und wieso kommt dann immer wieder Grütze bei der Bewertung raus? ;)
      "Menschen erschaffen gerne Monster. Und Monster ... zerstören eben ihre Schöpfer.!"

      Harlan Wade, F.E.A.R.
    • Hab ich oben geschrieben: Die Gesetzeslage und die Medien sind schuld. Die Leute von der FSK halten sich an die Vorgaben. Ein Freund von mir ist Anwalt und hat mir das mal erklärt, hat sehr viel mit "Menschenwürde" zu tun. Wenn Menschen im Film auf brutale Weise getötet oder misshandelt werden, dann verletzt das die Würde des Menschen des Menschen. Ist zwar bescheuert, aber auf dieser Grundlage werden Filme geschnitten oder Indiziert. Es gibt auch andere Richtlinien, aber diese ist für vieles Verantwortlich. Die Gesetze müssen geändert werden, die FSK als Behörde (eine Alterseinteilung ist ja sinnvoll) kann ihre Arbeit schon verrichten. Meine Hass-Politkerin Frau von der Leyen hat die Sache übrigens och verschärft und irgendwelche neuen Richtlinien rausgegeben. Welche das sind, kann ich jedoch nicht sagen.


      "das ist nicht möglih, einzig sabrina könnte man hart ran nehmen, die würde mit tollwütige hunde aus einer schüssel essen.. " Dr. Doom - Shoutbox am 22.08.2013
    • Original von Skyr0se:

      Ich liebe diesen Brief, genau der richtige Sarkasmus, nette Beispiele, sagt genau was ich zu diesem Thema sage und denke. Wirklich spitze.. Hoffentlich kriegen die jeden Tag 1000 von solchen Briefen. Ich könnt mich einfach so über sowas aufregen.. Wir leben angeblich in einem freien Land.. tja totally.. Deutschland das Land mit den meisten unnötigen Gesetzen :11:
      BAAAAAAAAH ich bekomme aggressionen von solchen Leuten.. und bekommen wahrscheinlich auch noch einen mega tollen verdienst für den Kram die diese da veranstalten.. Für die Tonne.. ABER MEGA..

      "PS: JOHN RAMBO läuft in unserem Nachbarland Österreich ungekürzt. Ich werde nie wieder in Österreich Urlaub machen. Die Gefahr, auf lauter durch RAMBO verrohte, geistig verwirrte Alpenländer zu treffen, die nicht zwischen Film und Realität unterscheiden können, ist mir einfach zu groß."

      Super geil lol


      Der Brief ist wirklich gut. Nur leider steht zu befürchten, dass die FSK tatsächlich viele solcher Briefe bekommt und dieser hier in all der Masse untergeht.
      Ausserdem ist die FSK weder ein kommerzielles Unternehmen, noch eine politische Partei. Umsatz- oder Stimmeinbußen müssen die daher leider nicht befürchten.

      Und wie Anyu schon schrieb, die können auch nur so wie sie aufgrund der Gesetzeslage müssen. "Bessere" Adressaten für so einen Brief wären da gewisse Ministerien.
      The girl that silenced the world for 6 minutes...
      https://www.youtube.com/watch?v=Sj00vO48MTk
      Severn Suzuki
    • In Österreich gibt es ja keine zensur bei Filmen oder spielen. Trotz allen hab ich dort noch nie etwas von einem amoklauf gehört! Komisch...
      "Ich weiß auch, dass die einzige Möglichkeit, einen von den Geistern dieses Buches Besessenen aufzuhalten, darin besteht, seinen Körper völlig zu zertückeln."
    • Original von teufelstanzer:

      In Österreich gibt es ja keine zensur bei Filmen oder spielen. Trotz allen hab ich dort noch nie etwas von einem amoklauf gehört! Komisch...


      Die putzen sich wahrscheinlich nicht die Zähne. lolp
      The girl that silenced the world for 6 minutes...
      https://www.youtube.com/watch?v=Sj00vO48MTk
      Severn Suzuki
    • Original von Hotte99:

      Original von teufelstanzer:

      In Österreich gibt es ja keine zensur bei Filmen oder spielen. Trotz allen hab ich dort noch nie etwas von einem amoklauf gehört! Komisch...


      Die putzen sich wahrscheinlich nicht die Zähne. lolp


      Hm... hat eigentlich jemand überprüft, ob die Horrorfilme bei den Amokläufern uncut waren? Ich hatte nach dem Genuss einer FSK 16 Version von Dawn of the Dead das Bedürfnis Amok zu laufen. Vielleicht erklärt das auch, dass es in Österreich keine Amokläufer gibt. Die werden nicht von geschnittenen Filmen verstört...


      "das ist nicht möglih, einzig sabrina könnte man hart ran nehmen, die würde mit tollwütige hunde aus einer schüssel essen.. " Dr. Doom - Shoutbox am 22.08.2013
    • Original von Anyu:

      Original von Hotte99:

      Original von teufelstanzer:

      In Österreich gibt es ja keine zensur bei Filmen oder spielen. Trotz allen hab ich dort noch nie etwas von einem amoklauf gehört! Komisch...


      Die putzen sich wahrscheinlich nicht die Zähne. lolp


      Hm... hat eigentlich jemand überprüft, ob die Horrorfilme bei den Amokläufern uncut waren? Ich hatte nach dem Genuss einer FSK 16 Version von Dawn of the Dead das Bedürfnis Amok zu laufen. Vielleicht erklärt das auch, dass es in Österreich keine Amokläufer gibt. Die werden nicht von geschnittenen Filmen verstört...


      Diese Logik gefällt mir! :prop: :6:
    • Original von Anyu:

      (...)

      Meine Hass-Politkerin Frau von der Leyen hat die Sache übrigens och verschärft und irgendwelche neuen Richtlinien rausgegeben. Welche das sind, kann ich jedoch nicht sagen.


      :3: meinst du vieleicht die neuen richtlinien/erweiterungen?

      schnittberichte.com/news.php?ID=670

      pcgames.de/Jugendschutz-Thema-…zierungskriterien-647389/
      I know nobody's listening 'cos you're all looming, but I got a shot of hot rock 'n roll for you anyway... - KOKLA Red River Rock 'n Roll Request.
    • Die Zeit vergeht und mit ihr wächst die FSK. Ich denke viele Prüfer und Prüferinnen dort haben entsprechende Erfahrung mit dem Medium Film mitgemacht, sind evtl. auch früher davon betroffen gewesen und wollen am "System" was ändern. Die Freigaben werden immer großzügiger. Filme, die heute eine FSK 18 bekommen, wären in den 80ern auf Index B gelandet.

      Ehrlich gesagt interessieren micht die Freigaben unter 18 Jahren nicht. Ich ärgere mich halt als Erwachsener nur, dass ich vom Staat weiterhin bevormundet werde.
    • Köstlich amüsiert! rofl

      Ja, das sind sehr gute Briefe :)

      Angesichts von dem, was man heute so in den Nachrichten und auf RTL sieht, sind Vereine wie die FSK längst überholt. Schließlich gibt es auch keine "Freiwilige Verblödungskonterolle der RTL-Industrie" ;)
      "Menschen erschaffen gerne Monster. Und Monster ... zerstören eben ihre Schöpfer.!"

      Harlan Wade, F.E.A.R.
    • FSK - Mediale Tabubrüche versus political correctness (spio-fsk.de) . Buckow Birgit (spio-fsk.de) .pdf

      MEDIALE TABUBRÜCHE VERSUS POLITICAL CORRECTNESS
      Filmdiskurs über exzessive und entgrenzte Gewalt und Körperdarstellung im Horrorfilm – Zu welchen Ergebnissen führen Filmanalyse und Wirkungsannahmen?

      FSK-FREIGABEN IM SPIEGEL DER ZEIT
      ALLES IM (WERTE) - WANDEL: "HORROR" GESTERN UND HEUTE?


      Birgit Goehlnich schrieb:

      Mit der ersten Filmprüfung am 18.Juli 1949 des Films INTIMITÄTEN von Paul Martin mit dem Ergebnis "freigegeben ab 16 Jahren" beginnt eine einzigartige und überaus spannende Entwicklungsgeschichte des gesetzlichen Jugendschutzes der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft. Die in nahezu 60 Jahren erteilten gesetzlichen Altersfreigaben für Kinofilme, Video- und DVD-Spielfilme, Werbefilme und Trailer spiegeln mit einer sich verändernden Spruchpraxis gesellschaftliche Wertvorstellungen wider. Konsens in all den Jahren besteht in der Bereitschaft aller Beteiligten, altersgemäße Grenzen für Kinder und Jugendliche bezüglich der Wahrnehmung von Filmen zu setzen. Vor dem Hintergrund eines fließenden Wertewandels und einem sich verändernden Zeitgeistes setzen sich alle am Jugendschutz Beteiligten mit der Frage auseinander, wie Filme auf Kinder und Jugendliche wirken. Wohl bedacht, dass es nicht die Aufgabe des Jugendschutzes ist, Kindern und Jugendlichen Medien vorzuenthalten, sondern sie ihrem Alter gemäß zugänglich zu machen.

      Im Folgenden wird punktuell an ausgewählten Filmbeispielen aus dem Genre des Horror- und Splatterfilms ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit ein kleiner Exkurs in die Geschichte dieses Genres unternommen. Die jeweilige aktuelle gesetzliche Altersfreigabe durch die FSK wird genannt, sofern vorhanden. Eine Wiedervorlage eines Films aufgrund veränderter Zeitumstände nach zehn Jahren ermöglicht es den Antragstellern, eine zeitgemäße Freigabe für ihre Filme zu erhalten. :76:

      "Horror ist eine Gattung der Phantastik, in deren Fiktionen das Unmögliche in einer Welt möglich und real wird, die der unseren weitgehend gleicht, und wo Menschen, die uns ebenso gleichen, auf diese Anzeichen der Brüchigkeit ihrer Welt mit Grauen reagieren."

      Mit dem Film der ersten Stunde beginnt auch die Geschichte des Horrorfilms. FRANKENSTEIN, USA 1910, NOSFERATU, Deutschland 1921, "freigegeben ab 12 Jahren" DAS CABINET DES DR. CALIGARI, Deutschland 1919, "freigegeben ab 12 Jahren" und DRACULA, USA 1931, "freigegeben ab 12 Jahren" und viele weitere Meisterwerke des Horrors aus der Stummfilmzeit sind bis heute wegen ihrer artifiziellen Gestaltung und ihrer expressionistischen Atmosphäre als Vorlage für unzählige Remakes und Serienproduktionen.

      Mit dem Tonfilm der 30er Jahre gelang es den Filmemachern, die Bedrohlichkeit und die Gewaltinszenierung deutlich realistischer wirken zu lassen. Wie im Filmbeispiel DIE MUMIE, USA 1932, "freigegeben ab 12 Jahren" galt es im Sinne konservativer Moralvorstellungen, eine Bedrohung durch das "Böse" – das "Andere" – das "Fremde" gänzlich zu zerstören.

      Die filmischen Möglichkeiten, die der Farbfilm eröffnete, führten in der Folgezeit zu einer Vielzahl von Remakes sowie Horrorinszenierungen im Science-Fiction-Stil. "Der Splatterfilm" wie das Genre des modernen "Körper-Horror"-Films der 60er bis Anfang der 90er Jahre bezeichnet wird, ist zum Synonym für die kompromisslose Darstellung körperlicher Gewalt in den Medien geworden.....Der Körper-Horror des Splatterfilms konfrontiert die Zuschauenden mit gewaltsam geöffneten, aufgebrochenen und aufgeschlitzten Körpern. Augen werden ausgestochen, Arme und Beine abgetrennt und Köpfe durchbohrt."

      Erst die 60er Jahre brachten eine Erneuerung des Genres. "Gothic Horror" wie NÄCHTE DES GRAUENS, GB 1965, "freigegeben ab 16 Jahren" und Horrorkomödien wie TANZ DER VAMPIRE, GB 1967, "freigegeben ab 12 Jahren" sowie Hitchcocks PSYCHO, USA 1960, "freigegeben ab 12 Jahren", DIE VÖGEL, USA 1962, "freigegeben ab 16 Jahren" und George A. Romeros NIGHT OF THE LIVING DEAD, USA 1968, "freigegeben ab 16 Jahren" galten und gelten bis heute thematisch und bezogen auf inszenierte Bedrohung und Gewalt als spektakuläre Filme des Horrors. Zum Ausdruck kommt eine auf brutalste Weise dargestellte Auseinandersetzung mit Gewalt, Krieg und apokalyptischen Vorstellungen vom Ende der Welt.

      In den 80er und 90er Jahren kommt es neben einer Vielzahl von Fortsetzungsfilmen zu einer Renaissance des Übernatürlichen und Fantastischen, wie in BRAINDEAD, Neuseeland 1991, "nicht freigegeben unter 18 Jahren" und in Splatter-Komödien. In den Genrefilmen dieser Zeit wird die Gewalt explizit und detailgenau zur Schau gestellt. In extremer Weise zeigt die Kamera Verwundung und Zerstörung von Körpern. Im Kino setzen sich auch erfolgreiche Psychothriller durch. Die Filmemacher setzen auf explizite Gewalt und inszenieren einen Thrill, der sich ganz besonders in der Phantasie der Zuschauer auswirkt und fortsetzt. Publikumswirksame Beispiele, die diesem Anspruch gerecht werden, sind DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER, USA 1989, "freigegeben ab 16 Jahren" und SIEBEN, USA 1995, "freigegeben ab 16 Jahren". In beiden Filmen geht es um die Aufklärung grausamer Serienmorde.

      Ein weiteres Subgenre des Horrorfilms, der so genannte "Slasher-Film", in dem die Bedrohung zumeist von menschlichen psychopathischen Mördern ausgeht, richtet sich mit bemerkenswert erfolgreichen Serienfilmen an ein jugendliches Publikum. Mit deutlichen Rückbezügen auf Klassiker des Horrorfilms agieren Teenager in Todesgefahr auf der Leinwand. Die SCREAM- Reihe, USA 1985, 1997, 2000, alle "freigegeben ab 16 Jahren", ICH WEISS WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST, USA 1997, "freigegeben ab 16 Jahren" locken ein breites Publikum in die Kinosäle.

      In den letzten Jahren schlägt sich das Genre des Horror und Splatterfilms in einer deutlichen Zunahme an Kinospielfilmen und DVD-Produktionen nieder. Die in den 70er und 80er Jahren populären Splatter Movies durchdringen heute weitere Genres, wie zum Beispiel die japanischen Samuraifilme, Hong-Kong-Eastern, Italo-Western, Kriegsfilme und auch das Action-Kino. "Der Splatterfilm ist nicht reines Subgenre des Horrorfilms, sondern: ein ästhetischer Modus: eine Ästhetik der Öffnung, Verstümmelung und Zerstückelung menschlicher Körper in allen Filmgenres und zugleich eine Deformation dieser Genres". Sowohl ist eine vermehrte Vorlage dieser Genrefilme zur Alterskennzeichnung in der FSK zu vermerken, als auch ein deutlicher Anstieg der Zuschauerzahlen dieser Genres in den Kinojahren 2006/2007/2008 zu beobachten. Populäre amerikanische Horror-Filme, die auch häufig als Serien und Remakes produziert werden, wie beispielsweise THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE, USA 1986, 2003, 2006, SAW, USA 2004, 2005, 2006, 2007, und HOSTEL, USA 2005, 2006 zogen auch in Deutschland eine große Aufmerksamkeit auf sich, die sich mitunter in strittigen und kontroversen Debatten um gewalthaltige Medien in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit äußerte. In den Medien wird immer wieder in populistischer Weise ein direkter Wirkungszusammenhang zwischen Filmgewalt und realer Jugendgewalt thematisiert.

      JUGENDSCHUTZHERAUSFORDERUNG "HORROR"
      BEURTEILUNGSSPIELRÄUME: VON BEEINTRÄCHTIGUNG BIS GEFÄHRDUNG
      Die Beurteilung und Altersfreigabe von Spielfilmen des Horrorgenres stellt eine ganz besondere Anforderung an die im Jugendschutz tätigen Prüferinnen und Prüfer in den Arbeits- und Hauptausschüssen der FSK dar. Die pluralistisch besetzten Ausschüsse, unter Beteiligung der Ständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden, der Jugendschutzsachverständigen aller Bundesländer, Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche, des Zentralrats der Juden, des Bundesjugendrings und den von der Film- und Videowirtschaft benannten Prüferinnen und Prüfer setzen sich sachgerecht mit dem Genre des Horror- und Splatterfilms auseinander.

      Grundlage der Filmbeurteilung und Altersfreigabe ist das Jugendschutzgesetz §14 Abs.1:
      "Filme sowie Film- und Spielprogramme, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, dürfen nicht für ihre Altersstufe freigegeben werden."

      Der 7-köpfig besetzte Arbeitsausschuss sichtet den Spielfilm und diskutiert im anschließenden Filmgespräch Fragen nach der Gesamtwirkung des Films sowie der Bedeutung einzelner Szenen. Die inhaltliche Auseinandersetzung über das Genre, die Erzählung, Figurenzeichnung, Sprache, Spannungserzeugung, Musik, Vertonung, Kamera, Licht- und Farbgestaltung und den Schnitt bildet das Fundament für die folgende Wirkungsdiskussion. Im Mittelpunkt der Wirkungsbeurteilung von Horrorfilmen steht das Thema "Gewalt und Tötung", das inhaltlich und bezogen auf seine filmische Umsetzung in den Blick genommen wird: Wie sind Täter- und Opferfiguren im Film dargestellt? Aus wessen Perspektive wird ein Gewaltvorgang dargestellt? Werden die Folgen von Gewalt thematisiert und gezeigt? Wie sind Gewaltdarstellungen geschnitten und vertont? Welche Musik ist unterlegt? Wie sind die Kulissen im Gewaltkontext gestaltet? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Gewalt und Sexualität?

      Eine einfache These zur Gewaltwirkung gibt es nicht. Die Ausschussmitglieder beurteilen in differenzierter Weise den Kontext, in dem Gewalt stattfindet, sowie die konkrete Gewaltinszenierung. Je ausführlicher der Tathergang, die Schädigung des Opfers, die Folgen der Gewalt und auch die handelnden Protagonisten dargestellt sind, um so eher ist es dem Rezipienten möglich, eine ethische Position zum Gezeigten zu beziehen. Setzt die im Film thematisierte und visualisierte Gewalt Impulse zur Kommunikation und Auseinandersetzung, so kann sie auch schon einem jugendlichen Publikum zugänglich gemacht werden.

      Jugendfreigabe: "freigegeben ab 16 Jahren"
      Ein von Gewalt und Tötung ausgehendes Wirkungsrisiko für ein jugendliches Publikum ist die Beeinträchtigung. Obwohl die Ausschussmitglieder von der Tatsache ausgehen, dass 16-Jährige kompetente und erfahrene Medienrezipienten sind und ihre persönliche und soziale Integration weitgehend vollzogen erscheint, werden insbesondere von Horrorfilmen ausgehende sozial-schädigende Botschaften und verrohende Wirkungen problematisiert. Konkret können folgende Aspekte zu einer Verweigerung der Jugendfreigabe führen: Rechtfertigung von Gewalt - Gewaltinszenierung aus Täterperspektive - eine Faszination, die von gewalttätigen Helden ausgeht – Aufbau von Feindbildern – Gewalt als einziges Problemlösungsmittel – Verknüpfung von Gewalt und Sexualität – eine sexualisierte, gewaltorientierte Sprache – eine explizite Inszenierung von Gewalt und Darstellung von Gewaltspitzen.

      Kennzeichnung: "Keine Jugendfreigabe"
      Wird einem Film oder Bildträger keine Freigabe für jugendliche Zuschauer erteilt, so rückt im Zuge der Erteilung des Kennzeichens "Keine Jugendfreigabe" die Frage in der Mittelpunkt der Beurteilung, ob vom Kinofilm eine "schwere" und vom Video- und DVD-Film eine "einfache" Jugendgefährdung ausgeht (gemäß §14(3) und (4) JuschG).

      Folgende inhaltliche Aspekte gilt es im Zuge der Diskussion um eine „einfache Jugendgefährdung“ zu berücksichtigen: Wird Gewalt in großem Stil und epischer Breite dargestellt? - Ist Gewalt vorrangiges Konfliktlösungsmittel? - Gilt Selbstjustiz als einzig probates Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit? - Sind Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert dargestellt? - Geschieht die Anwendung von Gewalt im Namen des Gesetzes als völlig selbstverständlich?

      Eine "schwere Jugendgefährdung" bei Kinofilmen gilt in dem Fall als gegeben, wenn der Film besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhaltet, die das Geschehen beherrschen und offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden ( §15 Abs. 2 Nr. 3a und § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuschG).

      Der Begriff des Kunstvorbehalts wird in der Diskussion um Jugendgefährdung zwischen inhaltlicher Aussage und ihrer formalen Ausgestaltung mit abgewägt.

      Erhält ein Film das Kennzeichen "Keine Jugendfreigabe", so ist eine nachgehende Indizierung durch die Bundesprüfstelle ausgeschlossen und eine uneingeschränkte Vermarktung mit Rechtssicherheit für den Anbieter gewährt.

      NICHTS FÜR SCHWACHE NERVEN!
      HORROR AUS FRANKREICH: FRONTIER(S) = GRENZE UND GRENZÜBERSCHREITUNG 2007 entsteht der in Frankreich und der Schweiz produzierte 108-minütige Horrorfilm FRONTIER(S) unter der Regie von Xavier Gens. Im Juni 2008 wird die Kinoproduktion in Deutschland für eine Alterskennzeichnung in der FSK vorgelegt. Beantragt wird die Erwachsenenfreigabe "Keine Jugendfreigabe".

      Im Folgenden wird der Inhalt des Films vorgestellt, seine Beurteilung in den Ausschüssen der FSK skizziert und die erteilte Altersfreigabe dargelegt.

      Inhalt des Films
      In den Vorstädten von Paris führen Rassenunruhen zu gewalttätigen Straßenschlachten. Dieses Chaos nutzt eine Gruppe jugendlicher Kleinkrimineller für einen Banküberfall. Die schwangere Yasmin, ihr Bruder Sami, Tom, Farid und Alex flüchten vor der Polizei, geraten jedoch in eine Schießerei, bei der Sami tödlich verletzt wird. Die Gesuchten flüchten in Richtung belgische Grenze, wo sie in einem verlassenen Hotel unterkommen. Dort geraten sie in die Gewalt einer verschrobenen Familie, deren Oberhaupt ein Alt-Nazi ist. Dieser Greis und seine Familie sind darauf spezialisiert, Hotelgäste auszurauben, sie zu foltern und brutal zu töten. Nach und nach werden Yasmins männliche Begleiter getötet: Tom wird wie ein Tier geschlachtet, Alex wird im Schweinestall angekettet und erschossen, Farid wird in einer Räucherkammer nahezu verbrannt und anschließend erschossen. Nur die schwangere Yasmin darf überleben, da die Familie mit ihrem Kind eine "reine Rasse" züchten möchte. Sie soll den Sohn der Nazifamilie heiraten und das Erbgutproblem der von Inzucht geplagten Familie lösen. Die ebenfalls von der Familie eingesperrte minderjährige Eva hat der Familie bereits Nachkommen geschenkt, die allesamt missgebildet sind, im Keller eingesperrt leben und sich von Menschenfleisch ernähren. Die gefangene und schwer misshandelte Yasmin kann sich befreien, indem sie die Familienmitglieder nach und nach ausschaltet. Sie und die junge Eva überleben das Blutbad.

      Filmbeurteilung
      FRONTIER(S) ist ein zeitgenössischer Horror- und Splatterfilm, der mit Versatzstücken und Filmzitaten aus klassischen Genrefilmen wie THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE und HOSTEL ein Realitätsprinzip in seine Geschichte einfließen lässt. In Anlehnung an Horrorfilme der 70er Jahre setzt Xavier Gens auf einen Diskurs über personale, strukturelle und kulturelle Gewalt. Wie in amerikanischen Produktionen seinerzeit wird in FRONTIER(S) ein kollektives Gewalttraumata als Thema aufgegriffen, das seine Wurzeln in der Historie und den aktuellen gesellschaftlichen Vorgängen in Frankreich hat: eine Auseinandersetzung mit Nazi-Verbrechern sowie aktuellen rechtsradikalen Tendenzen, ein Thematisieren der politischen Unruhen 2002 im Kontext der Wahl des rechtradikalen Politikers Le Pen und eine Darstellung der problematischen Situation von Jugendlichen aus dem Marghreb als Verlierer der französischen Gesellschaft. Assoziativ greift der Film in einzelnen Szenen Bilder und Inhalte des Nationalsozialismus auf: den Opfern werden die Wertgegenstände abgenommen, ein Junge stirbt in einer Räucherkammer, die Assoziationen zu Gaskammern weckt, das "reine Blut" wird beschworen sowie Aussagen des alten Nazi wie "Arbeit macht frei" und "Meine Ehre heißt Treue" getroffen.

      Analog zu den Horrorfilmen aus den 70er Jahren verzichtet FRONTIER(S) auf eine Psychologisierung seiner Protagonisten, seiner Täter und Opfer. Die Figurenzeichnung der Jugendlichen und die Themen, die sie transportieren sind jugendaffin, was große Identifikationenanreize darstellt. Über die Gruppe der Jugendlichen werden Inhalte wie Freundschaft, Liebe und familiäre Bindungen wie das Geschwisterverhältnis und emotionale Befindlichkeiten wie der Traum von einem besseren Leben und die Flucht aus einer ausweglosen Zukunft abgebildet. Während Yasmins Freunde im Film alle zu Opfern werden, entwickelt sich die Protagonistin selbst zum "Final Girl". Sie ist die weibliche Heldin, die sich einer moralischen Auseinandersetzung mit ihrer Schwangerschaft stellt. Die Nazifamilie als Tätergruppe wird übersteigert und zuweilen grotesk inszeniert. Hier dienen auch Figuren, wie beispielsweise der Metzger aus HOSTEL Filmzitaten. Die aufreizende Tochter Gilberte, die den finalen Kampf mit Yasmin bestreitet, verkörpert im Film das genretypische Merkmal von sexueller Verführung und Bestrafung.

      Die Inszenierung von Gewalt, Folter und Verwundung ist im Film inhaltlich dominant und in Bezug auf die Gestaltung explizit. Im Rückgriff auf den Horrorfilm der 70er Jahre setzt das filmische Prinzip auf eine Ästhetik der Öffnung, Verstümmelung und Zerstückelung menschlicher Körper. "Nur das Innere eines Menschen im Sinne seines zeigbaren und blutigen Körperinneren ist von Interesse. Entscheidend für den Spatterfilm ist eine Ästhetik der Wunde als Ergebnis der Öffnung des Körpers." FRONTIER(S) ist Body Genre, in dem Gewalt und Verwundung realistisch, authentisch und explizit gezeigt wird. "Die Kühnheiten des Kameramanns sind in der Tat denen des chirurgischen Operateurs vergleichbar."

      Distanzverlust dominiert die Kameraarbeit, sodass Close Ups und Zoom das Eindringen und Verwunden der Körper der Protagonisten deutlich visualisieren. Totale Einstellungen werden kaum gezeigt. Die gesetzten Schnitte im Gewalt- und Tötungsvorgang dienen der Schockwirkung. Auch die aufdringliche Tonebene der Gewaltanwendung und der unterlegte bedrohliche Musik- und Klangteppich verstärken enorm die Gewaltwirkung. "Splat", lautmalerisch umgesetztes Spritzen von Blut, konfrontiert den Zuschauer zum Beispiel mit expliziten Geräuschen von Verletzungen, wie das Durchtrennen einer Achillessehne mit einem Bolzenschneider.

      Auch die filmische Kulisse dient einzig einer Verstärkung der Gewaltwirkung. Ein in Bild und Ton aufdringlich in Szene gesetzter Schweinestall als Ort für Gefangennahme, Verletzung und Tötung und eine Kulisse mit herumhängenden Leichen potenzieren deutlich die Gewaltatmosphäre des Films.

      Wirkungsannahmen
      Dem Kinofilm „FRONTIER(S) wurde im 7-köpfig, plural besetzten Arbeitsausschuss das Kennzeichen "Keine Jugendfreigabe" verweigert, da die Prüferinnen und Prüfer eine vom Film ausgehende "schwere Jugendgefährdung" konstatierten.

      Gegen diese Entscheidung legte die antragstellende Firma das Rechtsmittel der Berufung ein mit dem Ziel der Kennzeichnung des Films mit "Keine Jugendfreigabe".

      Einberufen wurde daraufhin der Hauptausschuss, an dem neun Prüferinnen und Prüfer teilnahmen, andere als in dem Arbeitsausschuss der Vorinstanz.

      Die Mitglieder hatten nach der Filmsichtung darüber zu beraten, ob der Tatbestand der "schweren Jugendgefährdung" erfüllt sei, das heißt konkret, ob der Film "besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhaltet, die das Geschehen beherrschen".

      Dargelegt an Beispielszenen aus FRONTIER(S) beurteilte die Ausschussmehrheit die ausgespielten Gewalt-, Folter- und Tötungsszenen in ihrer äußerst realitätsnahen filmischen Umsetzung und die ausführliche Schilderung menschlichen Leidens als in ihrer Darstellung menschenunwürdig. Insbesondere folgende Filmszenen wurden als eine die Menschenwürde verletzende Darstellung eingestuft: Opfer Tom wird kopfüber an Fleischerhaken aufgehängt und ausgeblutet – Alex wird mit dem zynischen Kommentar "Arbeit macht frei" die Achillessehne durchtrennt, später wird er gepökelt – Farid wird im Ofen fast verbrannt, anschließend wird er exekutiert – in einer Notwehrsituation wird dem Nazi-Familienmitglied Götz der Körper auf einer Kreissäge zertrennt – Yasmin beißt ebenfalls aus Notwehr ihrer Kontrahentin Gilberte die Kehle durch. In der Diskussion wurde festgestellt, dass die "schwere Jugendgefährdung" nicht auf die Darstellung der Unmenschlichkeit des Geschehens abhebe, sondern auf eine die Menschenwürde verletzende Darstellung. Diese ist dann gegeben, wenn exzessive Gewaltdarstellungen , "die – ohne verherrlichend oder verharmlosend...zu sein – gleichwohl verrohend wirken". Die Ausschussmitglieder sahen die Gefahr der Verrohung als gegeben, da die Handlung des Films nicht tragfähig und einzig auf die exzessiv und selbstzweckhaft ausgespielte Darstellung von Gewalt-, Folter- und Tötungsszenarien abzielend konstruiert sei.

      Dran bleiben! Und mitreden! Die FSK-Freigaben als gelebte Wertediskussion
      Das Genre des Horror- und Splatterfilms hat eine lange Tradition und aktuell eine Renaissance. In den Kinos laufen Filmsequels wie HOSTEL, USA 2006, "Keine Jugendfreigabe" und TEXAS CHAINSAW MASSACRE: THE BEGINNING, USA 2006, "Keine Jugendfreigabe" und SAW 4, USA 2007, "Keine Jugendfreigabe", die von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Wie ein kleiner Rundgang durch das Genre sichtbar macht, so findet jede Zeit ihren Ausdruck in Filmen dieses Genres. Gemein ist eigentlich allen Produktionen, dass sie bewusst gesellschaftliche Tabugrenzen ausloten. Parallel zum Erscheinen der Genreproduktionen werden zyklisch wiederkehrende Debatten über das Ausmaß und die Intensität medialer Gewalt und ihrer Rezeption geführt. An diesen Auseinandersetzungen sollten sich alle maßgeblichen gesellschaftlichen Einrichtungen beteiligen, denn gerade der gemeinsam geführte sozial-ethische Diskurs bestimmt den Umgang mit filmischer Gewalt im Sinne gelebter Wertediskussion!

      Die im Zuge der gesetzlichen Alterskennzeichnung von Horror- und Splatterfilmen zu erteilende Altersfreigabe in den Ausschüssen der FSK wird von den Prüferinnen und Prüfern fachlich jenseits eigener geschmacklicher Haltungen und Vorbehalte gegenüber diesem Genre beurteilt. Horror- und Splatterfilme werden sorgsam bezüglich ihrer inhaltlichen Aussage und ihrer filmischen Umsetzung diskutiert. Die Wirkungsdiskussion und die erteilte Altersfreigabe sind das Ergebnis ausführlicher Debatten über die vom Jugendschutzgesetz gegebenen Regelungen unter Berücksichtigung der Grundwerte wie Kunst- und Informationsfreiheit.

      Wie unterschiedlich und kontrovers der Umgang mit und die Beurteilung von Horror- und Splatterfilmen sein kann, verdeutlichen abschließend drei Statements:

      "Fazit: FRONTIER(S) betäubt alle Sinne. Ein Hochglanz – Hardcore – Exploitation – Terrorfilm der Spitzenklasse! Nichts für schwache Nerven! Wir geben Bestwertung: 6 von 6 Sternen“, aus "gruselseite.com"

      "Wir leben in einer Gesellschaft, die sich sehr weit von physischen Gefahren entfernt hat. Doch wir Menschen brauchen die Auseinandersetzung mit solchen Urängsten und suchen uns diese in der Kunst oder in anderen Ersatzmöglichkeiten. Zum Beispiel in Horrorfilmen, wo wir Angst ohne reale Bedrohung erleben können", Marcus Stiglegger, Weser-Kurier, 29.10.08

      "Der Ausschuss sah aber vor allem durch die Fülle und Eindeutigkeit der Gewaltdarstellungen und durch das Ausspielen von Folter und Zerstörung menschlicher Körper die Kriterien der schweren Jugendgefährdung als gegeben an, da sie verrohend, grausam und sogar die Menschenwürde verletzend wirken." Jugendschutzentscheidung der FSK

      Von Birgit Goehlnich, November 2008
      (Hinweis: Den vollständigen Text inkl. Illustrationen und Fußnoten entnehmen Sie bitte unserem PDF-Download)