Tschüss Deutschland - Abo Alsleben (Roman)

    • Tschüss Deutschland - Abo Alsleben (Roman)

      Tschüss Deutschland – Wir sind dann mal alle weg



      Autor: Abo Alsleben
      OT: -
      Verlag: Edition PaperOne
      Seiten: 344
      Erschienen: 2008
      ISBN: 978-3-941134-27-0

      Der Autor plädiert selber für ein Verbot seines Buches und das zu Recht. Dieses Buch ist gefährlich. Es gefährdet die Gesundheit des deutschen Bürgers und vor allem was noch viel schlimmer ist, die Innere Sicherheit unseres schönen Landes. Aus diesem Grund bin ich dafür, sofort ein Exemplar dieses Machwerkes an Herrn Schäuble zu senden, würde es ihm doch genügend Argumente für seine neuerlichen Forderungen nach härteren Strafen für Randalierer geben.
      Aber mal im Ernst. Dieses Buch fetzt! Erzählt wird die Geschichte von Steingrim Knaute, einem 33 Jahre altem Punk, welcher sein Architekturstudium abgebrochen und sich somit den Zorn seiner Eltern auf sich gezogen hat. Dazu gesellen sich der aufreibende Ärger mit dem Arbeitsamt, fehlende finanzielle Mittel und eine ständige Knappheit an rauchbaren Rauschkonzentraten in Form einer illegalen Grünpflanze. Doch Steingrim ist ja nicht blöd. Nein, gewiss nicht. Denn Steingrim hat da eine Idee, welche es gilt möglichst schnell in die Tat umzusetzen. Denn Steingrim wohnt in Leipzig, genauer gesagt im bunten Stadtteil Connewitz. Und jenen Stadtteil gilt es ab sofort vom restlichen Deutschland abzuspalten. Mittels einer Petition bei der EU gelingt dies sogar und schwups wird Connewitz eine Enklave Hollands. Die Coffeeshops sprießen, auf den Straßen Leipzigs herrscht Chaos und Steingrim gibt sein Bestes, den Überblick zu behalten.
      Mehr wird nicht verraten, denn dieses Buch hält erstaunliche Wendungen bereit, auf die man als Leser nicht vorbereitet wird. Überraschungen lauern auf jeder Seite. Die Spannung steigt ständig und am Ende explodiert das Buch förmlich in einer waghalsigen Kettenreaktion der Ereignisse.
      Abo als Leben, der auch als Abo Alsleben bekannt ist, legt hier seinen ersten Roman vor. Jener entpuppt sich sogleich als echter Volltreffer. Alsleben spielt mit den Wünschen und Träumen eines Teils der deutschen Bevölkerung, welche sich nicht den täglichen Mechanismen des Kapitalismus unterwerfen will. Er weckt die Sehnsucht nach Befreiung von den Zwängen des Alltags. Nie wieder aufs Arbeitsamt. Nie wieder nervige, übereifrige Polizisten und andere Staatsdiener, welche den täglichen Lebensweg mit Stolpersteinen pflastern. Hier wird die Revolution ausgerufen. Hier scheitert aber auch, was zum Scheitern verurteilt ist.
      Man könnte Alsleben, betrachtet man diesen Roman objektiv, aber auch sehr schnell einen (Hanf-) Strick drehen. Denn seinen fast völlig unbekümmerten Umgang mit Hanf, um welches sich das Hauptthema des Buches dreht, als Rauchware, würde ich so nicht zu 100 % unterschreiben. Sicher, das Buch ist vorrangig darauf angelegt eine unterhaltsame und witzige Geschichte zu erzählen, was auch ohne Zweifel gelingt, aber ein ganz winzig kleiner bitterer Beigeschmack blieb bei mir dann doch.
      Aber jetzt kommt das große Aber. Wenn man sich etwas Mühe gibt, und zwischen den Zeilen liest, kann man auch bei Alsleben eine doch differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema kiffen feststellen. Auch wenn man sich dafür wirklich viel Mühe geben muss. Damit aber schon genug der Kritik.
      Denn „Tschüss Deutschland“ ist das was es ist. Eine Gesellschaftsutopie im Mikrokosmos des Punkrock, welche dem Leser mittels des Protagonisten Steingrim Knute auf eindrucksvolle Art vermittelt wird. Denn nicht immer hat Steingrim nur Spaß auf seinem Weg. Nein! Am Wegesrand, auf den zugemüllten Fußgängerrandstreifen, spielen sich die kleinen Tragödien des Lebens ab. Dort findet man die gescheiterten Existenzen, kurz vor dem Absturz, auf dem Weg nach unten oder schon da angekommen, wo es nur noch schwer ist, wieder aufzustehen. Und so ist dieses Buch auch ein Stück Gesellschaftskritik, wobei auch vor der eigenen Szene, dem Punkrock und Artverwandtem, nicht halt gemacht wird. Dem Leser begegnen Charaktere, die, bewegt man sich in dieser Szene, sicher schon vielen begegnet sind. Mir ging es jedenfalls so, dass ich jedem Protagonisten auch einen Namen aus meiner Vergangenheit zuordnen konnte. Sicher eine Sache, die dem Buch sehr zuträglich ist. Denn irgendwie ist alles sehr vertraut. Die beschriebene Umwelt, die Handlungen der Personen, die Tristes und die Freuden des Alltags.
      Der Schreibstil von Alsleben trägt natürlich dieses Buch. Denn Alsleben schreibt locker flockig, flüssig und weis, wie man Spannung aufbaut. Seine Charaktere sind sehr genau gezeichnet und so kann sich der Leser sehr schnell in die Personen hineinversetzen und im besten Fall sich sogar mit ihnen identifizieren. Fast schon unglaubliche Ereignisse werden glaubhaft dargestellt und paaren sich mit einem schön trockenen Humor.
      Dieses Buch ist meine Entdeckung und Empfehlung des Jahres 2008!