Die Faszination Jugendlicher am Grauen - Elmar Reß (Sachbuch)

    • Die Faszination Jugendlicher am Grauen - Elmar Reß (Sachbuch)

      Die Faszination Jugendlicher am Grauen
      Dargestellt am Beispiel von Horrorvideos



      Autor: Elmar Reß
      OT: -
      Verlag: Königshausen & Neumann
      Seiten: 230
      Erschienen: 1990
      ISBN: 3-88479-514-7

      Eine Studie mit vielfältigen Erklärungen zum Thema Jugendliche und Horrorfilme? Und das auch noch aus den 80ern? Da gibt es sicher was zu lachen! Wenn man als Horrorfan oder besser Splatterfan, die vorgefertigte Meinung vertritt, dass alles was an Studien von außerhalb des Fandoms kommt, sicher. Geht man aber mit etwas und auch dem nötigem Ernst an die Sache, entpuppt sich dieses Buch als ein sehr lehrreiches. Vorausgesetzt natürlich, man nimmt die Scheuklappen ab und lässt sich auf eine kritische Betrachtung seines Lieblinmgssujets ein. Dieses „darauf Einlassen“ ist bei der Lektüre dieses Buches unabdingbar. Denn der bis heute viel zitierte Autor Elmar Reß geht weder zimperlich mit den Lieblingen des Fans um, noch versucht er dem Leser einzureden, dass Splatterfilme einfach nur Dreck sind, auch wenn jenes dem Leser zu Beginn durch das Zitat „In stercore invenintur“ (findet selber heraus was es bedeutet), jenes verklickert werden soll. Nein, Reß analysiert gekonnt und kritisch anhand vielfältiger Kriterien den Splatterfilm und vor allem den Konsumenten. Zum Glück verfällt er dabei nicht in den damals vorherrschenden Kanon vom verwahrlosten Jugendlichen, der durch den Konsum solcher Filme zur reißerischen Bestie, zum Vergewaltiger oder irren Killer wird. Im Gegenteil. Reß differenziert, analysiert und schlussfolgert gekonnt, ohne Vorurteile oder Vorverurteilung. Natürlich geht er dabei auch nicht gerade zimperlich mit den Filmen um, welche er sich ausgesucht hat. Seine Liste liest sich dann auch gleich wie ein kleines Who is Who des Splatter- und Horrorfilms. Als Beispiele dienten ihm folgende Streifen:

      Alien – Das unheimliche Wesen aus einer anderen Welt
      American Werwolf
      Carrie – Des Satans jüngste Tochter
      The Fog – Nebel des Grauen
      Halloween – Die Nacht des Grauens
      Poltergeist
      Freitag der 13.
      Halloween II – Das Grauen kehrt zurück
      Die Klasse von 1984
      Der New York Ripper
      Das Omen
      Zombie (Dawn of the Dead)

      Eine feine Auswahl, an Hand derer die Wirkung auf Jugendliche, nicht nur dieser Filme, beschrieben wird. Reß Analysen der Filme, mögen den einen oder anderen sicher verschrecken oder zum lächeln bringen, einige Sicher auch zur Weißglut treiben, aber meist liegt der Autor subjektiv gesehen richtig. „New York Ripper“ ist nun einfach mal kein filmisches Meisterwerk sondern ein stinkender Haufen abstoßender Gewalt zur Befriedigung voyeuristischer Unzulänglichkeiten – der Splatterfilm, ein Autounfall, an dem man ach nicht so einfach vorbeikommt, ohne hingeschaut zu haben.
      Auch die Botschaft eines Filmes wie „Die Klasse von 1984“ darf gern in Frage gestellt werden, denn genau das ist sie: fraglich! Bei diesen beiden Filmen kann man Reß gern zustimmen, alle anderen werden ihn dafür hassen und übersehen, das Reß eigentlich fair urteilt, denn die suggestive Kraft von „Halloween“ oder „Carrie“ weiß er durchaus anzuerkennen.
      Und so folgert er dann eben auch, dass ein Film wie „NYR“ für Kinder- und Jugendliche ethisch desorientierend sein kann, ein Film wie „Halloween“ aber eher die Mär vom Buhmann erzählt und daher wohl eher „nur“ Angst einflössend ist. Ein Urteil, dass ich gern mit dem Autor teile.
      Und wohlgemerkt, es geht Reß nicht um Jugendschutz, Verbote oder ähnliches, sondern um eine konkrete Analyse der Wirkung des Gezeigten. Deswegen möchte ich jedem Splatterfan, dem es in seinen Filmen nur um das Aufzeigen möglichst brutaler Gewalt geht, und ihm jegliche Kritik an dem Gezeigten als böser Fingerzeig des Staates vorkommt, dringend davon abraten, dieses immer noch beim genannten Verlag einfach erhältliche Buch zu lesen. Alle anderen, die sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen möchten, Kritik vertragen und auch über andere Meinungen nachdenken, sei dieses Buch wärmstens empfohlen. Aber Vorsicht, es ist kein einfacher Stoff. Reß ruft oft Herrn Freud zu rate und stützt sich auf dessen Theorien und Ansätze der Psyche des Menschen. Das heißt, dass hier keine Oberflächliche Abhandlung zum Thema vorliegt, sondern tiefenpsychologisch vorgegangen wird. Wem das zu albern ist, der sollte die Finger vom Buch lassen. Alle anderen erwartet eine tiefgründige Analyse, mit der der Leser sicher nicht immer konform gehen muss, aber dass ist sicher auch nicht das Anliegen dieses Buches.
      So, nun wird der eine oder andere sicher mal nach dem Namen des Autors und Buches im Internet suchen und so manches auch finden. Ja, Reß wird gern herangezogen, wenn es darum geht, Horrorfilme und deren Konsumenten zu verurteilen. Aber meist geschieht dies nach meiner Feststellung mit meist aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten.