Alternativer Titel: The Sadist of Notre Dame
Produktionsland: Belgien, Frankreich, Spanien
Produktion: Marius Lesoeur, Daniel Lesoeur
Erscheinungsjahr: 1974
Regie: Jess Franco
Drehbuch: Jess Franco
Kamera: Raymond Heil
Schnitt: Pierre Quérut
Spezialeffekte: -
Budget: ca. -
Musik: André Bénichou, Daniel White
Länge: ca. 104 Min.
Freigabe: Ungeprüft
Darsteller: Lina Romay, Catherine Lafferière, Jesus Franco, Nadine Pascal, Pierre Taylou, Roger Germanes, Monica Swinn, France Nicolas, Sam Marée, François Guillaume, Caroline Rivière, Philippe Lebrun, Olivier Mathot
In Paris geht ein Mörder um, der die Mitglieder einer dem Satan hörigen Gemeinschaft (aus der besseren Gesellschaft) auf bestialische Weise tötet. Inspektor Malou glaubt nicht an ein religiöses Motiv für die Morde und sucht den Täter in anderen Kreisen, was dem Mörder weiteren Spielraum für seine Taten ermöglicht.
Vorab sei angemerkt, dass ich mir die ungekürzte Originalversion (welche auf der BluRay Disc des Mediabooks, Disc 2 enthalten ist) angesehen habe. Das Booklet von Martin Beine habe bewusst nicht gelesen. Weiterhin habe ich nicht auf den Audiokommentar vom Quartett Naumann, Traber, Harder und Künnecke zugegriffen, um so einen vollkommen unvoreingenommenen Eindruck zu erhalten.
„Exorcism“ entstand im Jahr 1974 und die Credits zeigen, dass es sich um eine Co-Produktion von Eurocine und Cetelci (eine mir bisher unbekannte Produktionsfirma) handelt. Gedreht wurde in Paris und es fällt in ein paar Momenten auf, dass Franco bewusst (vielleicht auch unbewusst) auf die Verwunderung machen Passanten gesetzt hat, die zufällig am Drehort vorbeikamen. Ein ähnliches Vorgehen ist mir von Abel Ferrara bei „Bad Lieutenant“ (Schlussszene) bekannt. Dieses sei allerdings nur am Rande bemerkt.
„Exorcism“ startet in einem Nachtclub der durch seine spartanischen und Kellerähnlichen Räumlichkeiten auffällt und vor allem: gefällt. Dort wird man Zeuge einer Zeremonie die den Gästen zur Unterhaltung dient. Diese ist sehr ansprechend gefilmt, aber was noch wesentlich ansprechender ist, ist die Musik von André Bénichou und Daniel White. Die morbide Vorstellung einer gekreuzigten Dame und deren bestrafender Gespielin wird von einer brillanten Melodie begleitet. Diese beschränkt sich erst auf das Einsetzen von Orgelmusik und wird anschließend mit den Anschlägen auf einer akustischen Gitarre begleitet. Zum Finale wird das Klangschema um weitere Instrumente erweitert. Dazwischen bietet der Soundtrack einige psychedelische und ebenfalls bemerkenswerte Klänge, die sich in ihrer Thematisierung den Bildvorgaben bestens anpasst.
„Entblöße dich. Ich will dein verdorbenes Fleisch erblicken.“ (Monsieur Vogel)
Kurz und knapp bringt die deutsche Synchronisation das auf den Punkt, was des Mörders Ambition ist, nämlich die Menschheit von ihrer Unzucht zu befreien. Satan ist der Herr männlicher und weiblicher Lüstlinge und ein von der Kirche verdammter Priester will diesem Einhalt gebieten. Zumindest weißt die deutsche Bearbeitung darauf hin, dass unser hiesiger Psychopath, Sadist oder Mörder (wie man ihn auch nennen mag) ein ehemaliger Vertreter der Kirche ist. Dieser wurde auf Grund seiner radikalen Ansichten und vielleicht auch Taten seines Amtes enthoben.
Die nun resultierenden Exorzismen und Morde sind allerdings eher sekundär angelegt. In erster Linie erkennt man, dass Jess Franco einen ganz radikalen Angriff auf Glaube, Religion und Kirche startet. Franco geht hier beleidigend vor und tritt und schlägt auf die Unantastbarkeit des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Franco lässt die gute wie böse Seite auf einer Ebene erscheinen und lässt die Frage nach dem eigentlichen Bösen im Raum stehen. Letztendlich kann das eine ohne dem anderen nicht existieren. Der Untergang von Sitte und Moral steht dem Sadismus und dem Drang des Tötens (in heiliger Mission) gegenüber.
In technischer Hinsicht hat „Exorcism“ eine ganze Menge bieten. Die Kameraarbeit lässt einige großartige Bilder zu Tage treten. Bilder für die der perfekte Hintergrund gewählt wurde. Allein das Kellergewölbe in dem sich der Nachtclub befindet, bietet eine phänomenale Spielwiese für das Auge des Betrachters.
„Exorcism“ ist nicht nur ein starker Beitrag innerhalb Francos Filmografie, sondern ein Manifest des europäischen Kinos der 70er Jahre. Zwischen augenscheinlichen Minimalismus und der Kunst der Kamera angesiedelt, beleidigend und fernab von Traum und Illusion.
8/10