Produktionsland: USA
Produktion: Carl Daft, David Gregory, Mike King, Jim Van Bebber, Michael Capone, Samuel Turcotte
Erscheinungsjahr: 2003
Regie: Jim Van Bebber
Drehbuch: Jim Van Bebber
Kamera: Mike King
Schnitt: Michael Capone, Jim Van Bebber
Spezialeffekte: William Farmer, Jim Van Bebber
Budget: -
Musik: Phil Anselmo, Ross Karpelman
Länge: ca. 91 Minuten
Freigabe: FSK Keine Jugendfreigabe
Darsteller: Marcelo Games, Marc Pitman, Leslie Orr, Maureen Allisse, Amy Yates, Jim Van Bebber, Tom Burns, Michelle Briggs, Sherri Rickman, Nate Pennington
Inhalt:
Im Jahre 1996 plant ein TV-Produzent die ultimative Dokumentation über die Manson Family bzw. ihren Anführer Charles Manson, der im Jahre 1969 eine Reihe brutaler Ritualmorde in Auftrag gegeben hatte und dadurch zur Anti-Ikone der Folgejahre wurde. In der Doku kommen etliche Mitglieder der Manson Family zu Wort und parallel dazu verlaufende Rückblenden entführen den Zuschauer in die FlowerPower-Ära und dem Leben auf Mansons Hippiekommune bis hin zu den drastischen "Tate/LaBianca"-Morden... In einem weiteren Handlungsstrang versuchen derweil moderne Manson-Anhänger das TV-Studio zu erpressen...
Trailer von The Manson Family:
-
Deutsche DVD & Blu-Ray Fassung: 25.11.2011 (Verleih: 04.11.2011)
Deutsche Fassung ist stark geschnitten.
Mediabook Österreich: 26.03.2014 Dragon
Meine Meinung:
"The Manson Family" ist ein experimenteller, relativ unbekannter Low Budget-True Crime-Film des radikalen Undergroundfilmers Jim Van Bebber. Neben dem Dokumentarfilm "Manson "
von 1972 und "Helter Skelter" (1976) dürfte Van Bebbers Interpretation der Serienkiller-Koryphäe Charles Manson und seiner Anhängerschaft wohl die beste filmische Aufarbeitung zu dieser medial ziemlich ausgeschlachteten Thematik sein.
Sein Film, der nur abseits von Hollywood so radikal ausfallen konnte, verzichtet auf eine stringente, chronologische Aufarbeitung der Ereignisse, die letztendlich zu den schockierenden Morden im Haus von Roman Polanskis damaliger Frau Sharon Tate und am Ehepaar LaBianca führten. Zwar spart er das Kommunenleben auf Mansons Ranch, das anfangs sehr harmonisch in unschuldiger "Flower Power"-Glückseligkeit abläuft und nach und nach immer autoritärer, wahnsinniger und paranoider wird, nicht aus, doch wird die rückblickende Chronologie der Ereignisse immer wieder von "aktuellen" Interviews mit Zeitzeugen (in der Mehrheit ehemalige Mitglieder der Family) und weiteren Interviews, die kurz nach den "Tate/LaBianca"-Morden gedreht worden sein sollen, unterbrochen. Auf einer dritten Erzählebene gibt es noch einen Handlungsstrang, in dem ein TV-Produzent, der das "aktuelle" Interview-Material zusammengestellt hat und plant, daraus die ultimative Manson-Dokumentation zu machen, von einer Gruppe subversiver Neo-Manson-Anhänger erpresst wird. Diese Gruppe möchte an dem ihrer Ansicht nach ausbeuterischen und sensationsheischenden Medienoverkill um die Manson Family ein blutiges Exempel statuieren, indem sie den Mord an dem TV-Produzenten planen, und zwar in typischer Manson-Manier.
Klingt wirr? Tatsächlich fordern die 3 unterschiedlichen Erzählebenen erhöhte Aufmerksamkeit beim Zuschauer, doch allzu kompliziert ist die Story an sich nicht. Im Mittelpunkt stehen die Ereignisse in der Kommune und die anschließenden Ritualmorde. Die Bildsprache von "The Manson Family" erinnert stark an "Natural Born Killers", dessen böer, unartiger Bruder im Geiste "The Manson Family" (dessen Rohschnitt schon 1997 unter dem Titel "Charlie´s Family" entstand!) sein könnte. In dem Moment, als Mansons Führungsstil gegenüber seiner vom übertriebenen Drogenkonsum zunehmend wahnsinniger werdenden, treuen Anhänger immer autoritärer und manipulativer wird, entwickelt der Film eine ausgesprochen surrealistische und psychedelische Bild-Ästhetik, die auch extreme Bilder satanischer Rituale und ziemlich expliziter Gruppensex-Orgien (Geschlechtsteile sind übrigens nicht zensiert!) beinhaltet. Mithilfe von eingestreuten Teufelsfratzen, die sich über die Anhänger Mansons legen, steuert der Film auf sein gnadenlos nihilistisches Splatter-Finale zu: Bei den Morden an Sharon Tate und Co. geht Van Bebber dann wirklich in die Vollen und spart nahezu kein extremes Detail aus. Ganz schön heavy, speziell für einen TrueCrime-Film, der aufgrund seiner Realitätsentrückten Inszenierung aber dennoch (auch!) ins Horror-Genre gehört.
Trotz des niedrigen Budgets wirkt der Film außerordentlich professionell. Auch die Schauspieler sind keine Laien, sondern verkörpern ihre Rollen absolut glaubwürdig und, soweit bekannt, authentisch. Besonders hervorzuheben sind Marcelo Games als Charles Manson und Marc Pitman als dessen wahnsinnigster Anhänger Charles Watson.
"The Manson Family" verwendet typische Elemente des Exploitation- und Grindhousefilms (analog zu "Planet Terror" gibt es etwa absichtlich verschmutzte und manchmal wackelige Bilder) und will gleichzeitig (analog zu "Natural Born Killers") Medienschelte sein, was in erster Linie an dem "Gegenwarts"-Plot um die TV-Dokumentation deutlich wird. Zudem verwendet Van Bebber häufiger Montagen und Collagen, die verschiedene Popkulturelemente (Spielfilme, Clips, Interviews, Musikfetzen) beinhalten und den radikalen Stil des sowohl narrativ als auch formell beeindruckenden Films unterstreichen.
Ein echter Geheimtip und sehr empfehlenswert!
Übrigens: In Deutschland ist der Film leider nie erschienen, ausländische Vös sind z.T. indiziert. Am einfachsten bekommt man die niederländische DVD (natürlich uncut) von Shock Entertainment (die zur VÖ des Films noch in den Niederlanden ansässig waren - heute veröffentlichen sie ihr Programm ja bekannterweise über Österreich) auf jeder gutsortierten Filmbörse. Sehr empfehlenswert sind auch die UK-Veröffentlichungen von Anchor Bay (u.a. als "Special Edition").
Allein der Schmerz vermag es, dich spüren zu lassen, dass du wirklich existierst.
Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Rorschach ()