Im Herzen des Hurrican

    • Im Herzen des Hurrican

      Originaltitel: Im Herzen des Hurrican
      Alternativtitel: Nicht mit uns!
      Produktionsland: Bundesrepublik Deutschland
      Produktion: Hark Bohm, Natalia Bowakow
      Erscheinungsjahr: 1980
      Regie: Hark Bohm
      Drehbuch: Hark Bohm
      Kamera: Jaroslav Kucera
      Schnitt: Susanne Paschen
      Musik: Irmin Schmidt
      Länge: ca. 105Min. / 85 Min.
      Darsteller: Uwe Bohm, Dschingis Bowakow, Brigitte Strohbauer, Jelka Bouwy, Dieter Thomas, Ulrich von Bock, Edgar Bessen, Marquard Bohm, Herta Fahrenkrog, Uwe Dallmeier, Ute Cremer, Alois Tratter, Hermann Killmeyer, Rüdiger Schulzki, Artur Dunker, Hendrike von Sydow



      Ein Elch hat sich an die Elbe sowie in die Lokalteile der Tagespresse verirrt, was einen Delikatessenhändler aufhorchen lässt, denn er wittert die Chance, sein Angebot um eine besondere Spezialität zu erweitern. Folglich beordert er seinen zuverlässigen Lieferanten und Hobbywilderer, den 17-jährigen Chris Schiedrowski, zur Elchjagd. Doch Chris ist nicht der einzige, der den Geweihträger verfolgt, denn ein „Indianer“ hat sich ebenfalls an dessen Fersen geheftet, allerdings nicht um das Tier zu töten, sondern um dessen Reise durch die BRD fotografisch zu dokumentieren. Zwei unterschiedlich ambitionierte Jugendliche mit demselben Ziel, einen Elch aufzuspüren, der sich quer durch die von Chemie und Abgasen geplagten bundesrepublikanischen Weiten bewegt.

      Sofern ich die Helden der Karl May-Western, die Antihelden des Italo-Western sowie die Rebellen in der populären Musik außer Acht lasse, kann ich festhalten, das meine ersten wahren Helden in Hark Bohms „Nordsee ist Mordsee“ die Welt der Lichtspiele sowie mein Herz enterten. Dschingis, der asiatische Junge, der von seinen Mitschülern gehänselt wird, da er nicht in ihr Bild passt, und Uwe, der stets beweisen will, dass er der Größte ist, dabei jedoch immer tiefer in einen prekären Kladderadatsch hineinrutscht. Zwei (erst spinnefeind und später zu Freunden werdende) Jugendliche, die ihr Drang nach Freiheit sprich die Flucht aus einem sie anwidernden Umfeld zusammenschweißt. Beide Charaktere offerieren dem jungen Publikum ein immenses Identifikationspotential, um deren Leiden und Wünsche mit Situationen zu verbinden, die es in ähnelnder Weise (und sei es nur auf kognitiver Ebene) selber durchlebt hat. Denn Dschingis und Uwe mögen zwar nicht wissen was sie wollen, aber sie wissen definitiv, was sie nicht wollen und das macht sie zu Rebellen, zu den sympathischen Außenseitern der Lichtspiele, die sich gegen ihre Eltern stellen, durchlebtes Leid nicht billigend in Kauf nehmen und schlussendlich die Flatter machen.

      Uwe Enkelmann (Bohm), dessen Jugend keine einfache war, antwortete in einem Interview auf die Frage: was die Menschen an „Nordsee ist Mordsee“ berühren würde: „Weil die zwei Jungs was machen, was sich die anderen nicht trauen. Die laufen ja nicht nur weg, sondern widersetzen sich ihren Eltern. Sie sagen, ich hau ab, weil ihr mir auf den Keks geht. Und ich hau richtig ab, nicht nur so ein bisschen. Die wollen ja eigentlich auch eine Familie, wie jedes Kind. Aber sie haben keine. Oder keine, die funktioniert. Du wünschst dir, dass es entspannt ist zu Hause, dass die Eltern sich nicht mehr prügeln, sondern sich verstehen.“

      Ungeachtet des thematisierten Generationskonflikts fokussiert „Nordsee ist Mordsee“ einen von Dschingis Mitschülern durchexerzierten Terror, unter dem der Heranwachsende zu leiden hat. Doch Dschingis ist tapfer, stellt sich dem entgegen, steckt ein, teilt verteidigend aus und nimmt seine resultierenden Wunden in Kauf, um seine Aufrichtigkeit zu bewahren. Und eben diese Wunden adeln sein Wesen und erfüllen ihn wie seine Verehrer vor der Leinwand mit Stolz. So trägt ein jeder auf seine Weise einen Dschingis in seinem Herzen, denn Menschen wie er sind unsere wahren Helden, die Helden aus der unmittelbaren Nachbarschaft – und solche Helden sind unverzichtbar!

      Nach „Nordsee ist Mordsee“ folgte „Moritz, lieber Moritz“. Hark Bohm verlagerte den Filmschauplatz vom sozialen Brennpunkt in Richtung Elbchaussee und zentralisierte im Umfeld der betuchten Gesellschaft den pubertierenden Moritz Struckmann, der seinem Publikum ebenfalls ein üppiges Identifikationspotential zur Verfügung stellte. Uwe (Enkelmann / Bohm) und Dschingis (Bowakow) sind innerhalb kleinerer Rollen erneut mit von der Partie, bevor sie zwei Jahre später zum dritten Mal gemeinsam vor der Kamera standen, es resultierte Hark Bohms Glanzstück:

      IM HERZEN DES HURRICAN

      „Die Geschichte des Films ist entstanden, weil ich gelesen habe, dass Elche durch die Elbe geschwommen sind und die Bundesrepublik durchquert haben. Dabei sind sie immer irgendwie auf der Autobahn überfahren worden. Man ist für bestimmte Themen sensibilisiert: Ich interessiere mich eben für all das, was man neuerdings Ökologie nennt." (Hark Bohm)

      Die folgende Besprechung bezieht sich auf die gekürzte Version des Films „Im Herzen des Hurrican“, welche Hark Bohm unter dem Titel „Nicht mit uns!“ ein zweites Mal ins Kino brachte, da die ursprüngliche Version bei Publikum und Kritik durchfiel!


      Die Forensoftware akzeptiert nur 10.000 Zeichen, sodass es hier weitergehen muss