Pesthauch der Menschlichkeit

    • Pesthauch der Menschlichkeit



      Produktionsland: Deutschland/Italien
      Produktion: Marian Dora/Biofilm
      Produktionsjahr: 2018
      Erscheinungsjahr: 2021
      Regie: Marian Dora
      Drehbuch: Marian Dora
      Kamera: Marian Dora
      Schnitt: Marian Dora
      Spezialeffekte: Marian Dora
      Musik: Marian Dora
      Länge: ca. 70 Minuten
      FSK: nicht möglich
      Freigabe: ungeprüft
      Darsteller: Jonathan Maria von Gross, Jörg Waschnauski, Marietta Fiori

      Inhalt: Ein Sommerspaziergang durch die spätsommerliche Landschaft führt nicht nur zu einem kleinen See, sondern auch an die Abrgünde menschlicher Exizenz. Dominanz und Unterdrückung, Erniedrigung und Erhebung dienen zur vermeintlichen "Menschwerdung". (Text vom Black Lava Mediabook)


      Trailer: -

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Knorrhahn Siegberts ()

    • Nach langem Warten konnte ich nun gestern endlich die beiden neuen Doras sehen. Ich begann mit "Pesthauch der Menschlichkeit". Mir fällt es jetzt relativ schwer, dieses Review zu schreiben, denn es wird nicht positiv ausfallen. Besonders da mir "Debris" und "MDE" wirklich sehr viel bedeuten und ich Marian Dora für einen der besten Regisseure aller Zeiten halte, hätte ich nicht ewartet, einen solch enttäuschenden Film ausgerechnet von ihm zu sehen.


      Der Film beginnt direkt mit sehr schönen Naturaufnahmen und detailierten Bildern von Tieren und Pflanzen. Unterlegt von schöner Klaviermusik und tollen Schnitten erkennt man sofort den Stil Marian Doras. Danach wird die Dreiergruppe, bestehend aus einem Mann mittleren Alters, welcher eine Art "Betreuer" oder Pfleger darstellen soll gezeigt. Er geht zusammen mit einer jungen Frau (welche nicht spricht, warum sie nicht spricht wird nicht erklärt. Sie soll aber wohl die Praktikantin des Pflegers darstellen, ganz klar wird das nicht) und einem kleinwüchsigen und geistig behinderten Mann in der Natur spazieren.


      Der Kleinwüchsige nähert sich der Praktikantin wiederholt in infantiler, aber sexueller Weise. Er wird vom Betreuer ermahnt, während die Praktikantin das Gegrabsche allerdings größtenteils zulässt. Die Gruppe macht dann Rast und sie fangen mit den Händen Fische und verzehren diese anschließend. Der Kleinwüchsige isst während des ganzen Films über Insekten und Blumen. Die Handlung wird dann ziemlich schnell sehr skurril: Der Kleinwüchsige wird immer übergriffiger gegenüber der jungen Frau, der Betreuer ermutigt ihn in seinen Handlungen und fordert die Praktikantin auf, es "zuzulassen".


      Teilweise wird die Praktikantin vom Betreuer festgehalten, damit der Kleinwüchsige an und in ihr besser "rumpulen" kann. Er bricht ihr einen Arm, steckt seine Finger in ihre Körperöffnungen, spielt mit dem Kot und rammt ihr einen Ast in die Nase. Er tritt ihr dann mehrmals zwischen die Beine und stampft auf ihren Kopf, so dass sie scheinbar im Schlamm ertrinkt.


      Allerdings lebt sie noch und wird dann vom Betreuer und dem Kleinwüchsigen anal mit einem Baumstamm gepfählt. Dabei werden ihr die Gedärme (oder der Darm) rausgezogen. Im Zwischenschnitt dazu sieht man wie kleine Baby-Schweine lebendig anal gepfählt werden. Anschließend möchte der Betreuer, dass der Kleinwüchsige alleine (in der Natur) zurückbleibt. Man sieht dann am Schauplatz noch sehr viele aufgespießte Kadaver und Schädel, was vermuten lässt, dass dieser Vorfall nicht zum ersten Mal passierte.


      Soweit zur "Handlung". Diese ist, wie oben beschrieben, äußerst skurill und wirft viele Fragen auf. Zum einen ist die Situation völlig unrealistisch und ergibt ansich keinen Sinn. Ich dachte eigentlich, dass die stumme junge Frau ebenfalls eine behinderte Person wäre, da sie ja nicht spricht (eher ungeeignet, wenn man Pflege-Praktikantin ist) und auch alles über sich ergehen lässt - ohne sich zu wehren.
      Ihr ganzes Verhalten wirkt somit unverständlich. Nunja, mit ihrer Ausbildung/Praktikum wird es ja dann eh nix mehr. Ebenso der Betreuer, welcher selbst in manchen Szenen behindert wirkt (er kann z.B. nicht richtig essen, eher wie ein 2jähriges Kind) und legt ein sehr hysterisches Verhalten an den Tag.


      Aufgefallen ist mir auch eine Szene, in der der Betreuer dem Kleinwüchsigen eine "Watschen" gibt - also mit der flachen Hand, kein Faustschlag- , dem Kleinwüchsigen darauf aber gleich mehrere Zähne ausfallen (welche er später aber alle wieder hat). Teilweise erkennt man in den Gewaltszenen nicht richtig, wer was genau macht. Im Grunde besteht der Film aber auch hauptsächlich aus der Folterung der jungen Frau und geht so gut wie gar nicht auf die Personen oder gar die Handlung ein.


      Die Gewaltszenen sind schon recht derb, ich empfand sie aber als äußerst penetrant und irgendwann auch einfach nur noch nervig. Es ergibt alles keinen Sinn (für mich). Auch wenn der Film sicher handwerklich gut gemacht ist, hat der mich so rein gar nicht angesprochen. Ärgerlich fand ich einfach, dass man aus der Story "psychopatischer Betreuer manipuliert Behinderte" wirklich was Tolles hätte machen können - stattdessen einfach nur plumpe Ekel-Gewalt, welche dermaßen penetrant ist, dass es mich wirklich genervt hat. Schade, hätte ein richtig fieser Film werden können.


      Da auf die Figuren kaum bis gar nicht eingegangen wird, kann ich über die schauspielerische Leistung weder etwas Positives noch etwas Negatives sagen, außer dass der Darsteller des Betreuers ein zu "nettes" Gesicht hat (der Vollbart kaschiert es zwar etwas) für diese Rolle und teilweise nicht sehr glaubwürdig wirkt, er ist einfach zu knuffig. Aber wirklich schlecht ist er nicht - würde ihn gerne in anderen Filmen mal sehen. Die weibliche Darstellerin wirkt völlig austauschbar und transportierte für mich einfach nichts - kein Vergleich zB. zu einer Margarethe von Stern (Clarissa in MDE). Ich konnte keinerlei Gefühle aufbauen.


      Das wirkliche und auch leider einzige Highlight dieses Films war für mich der Darsteller des Kleinwüchsigen, Jonathan Maria von Gross. Also ich muss echt sagen, eine solche intensive Darstellung und auf eine solche Art und Weise hab ich echt selten gesehen. Das war wirklich sehr sehr stark.


      Mein Fazit zu Pesthauch: leider völlig verschenkter Film, die Story hätte großes Potential gehabt. Dieser Film ist so weit weg von Melancholie der Engel, dass es mich sogar traurig macht. Es ist natürlich immer ganz stark Geschmackssache bei Filmen dieser Art und in der Dora-Community kam er bei den Anderen bisher wesentlich besser weg. Bei aller Liebe und Zuneigung dem Regisseur gegenüber, aber dieser Film hat mir überhaupt nicht gefallen.


      Für die teilweise sehr schönen Naturaufnahmen, die Musik, sowie dem Darsteller von Gross gibt es von mir aber noch


      [film]3[/film] Punkte


      Ich bin sehr froh, dass mir "Das Verlangen der Maria D." wieder wesentlich besser gefallen hat. Somit ist Pesthauch der bisher einzige Film von Dora, der mir nicht gefallen hat.


      Zur XT-VÖ: Das Mediabook beinhaltet sowohl Pesthauch als auch Maria D. auf DVD und BD. Desweiteren hat es ein sehr schönes und umfangreiches Booklet von Martin Beine, welcher für seine tollen Arbeiten bekannt ist. Es gibt auch eine Bonus-Disc mit unter anderem Trailern und Interviews sowie einen Kurzfilm, bei dem ein Friedhof gefilmt wird. Das Cover ist Geschmackssache. Die Discs sind sehr schwierig rauszubekommen.

      Anscheinend ist es bereits ausverkauft, es war/ist auf 666 Stück limitiert.
    • Tolle Review Knorrhahn. Da bin ich eigentlich in allen Punkten bei dir.
      Hab das Mediabook bereits seit etwa zwei Wochen und hatte zuerst mit "Das Verlangen der Maria D." angefangen. Gestern Abend hab ich dann auch den Pesthauch der Menschlichkeit gesehen. Soviel sei bereits gesagt, mir hat "Das Verlangen..." auch um einiges besser gefallen.

      Dabei fängt Pesthauch eigentlich ganz schön an. Wie du bereits geschrieben hast gibt es sehr viele wunderschöne Naturaufnahmen zu sehen. Diese sind teils so ästhetisch eingefangen, dass ich unzählige Male gedacht habe, dass man hier auch ein sehr schönes Puzzle oder Postermotiv hätte. Generell habe ich mir oft gewüscht, selbst durch diese Landschaften wandern zu können und das muss einem auch erst mal gelingen.
      Und was ich an Dora auch bemerkenswert finde: Er hat eine sehr eigene Handschrift. Man braucht nur wenige Minuten und schon weiss man, das man einen seiner Filme sieht.

      Leider hören die positiven Punkte für mich hier auch schon fast auf und meine Kritikpunkte entsprechen größtenteils den deinen.
      Hauptmanko ist meiner Meinung nach, dass man zu keiner Zeit eine Beziehung zu den Hauptpersonen aufbauen kann. Bei Cannibal z.B. ist Dora das Kunststück gelungen, dass ich mich tatsächlich ein wenig in die Gefühlswelt der beiden Hauptpersonen hereinversetzen konnte. Auch bei Melancholie der Engel wurden die Charaktere langsam aufgebaut und man konnte eine Beziehung zu ihnen bilden. Sie waren einem NICHT egal.

      Pesthauch der Menschlichkeit gelingt dies meiner Meinung nach nicht. Mein Hauptproblem betrifft hier die Darstellung der weiblichen Hauptperson. Sie bleibt den ganzen Film über stumm (keine Ahnung warum, das wird nicht erklärt) und oft ist ihr Gesicht zum großen Teil verdeckt. D.h. man hat weder Stimme noch große Mimik, über die man eine Bindung aufbauen könnte. Sie bleibt demnach eine blasse Projetionsfläche, wichtig für die Handlung als Opfer aber anscheinend nicht wichtig genug für Dora, dass man sie mit einer Persönlichkeit ausstatten müsste. Das finde ich sehr schade, nimmt es doch auch den folgenden Szenen den Großteil der Dramatik und die schockierenden Wirkung, insbesondere da die eigentliche Handlung auch total unglaubwürdig ist.

      Ich hatte auch den Eindruck, dass der Schnitt im letzten Drittel während der Folterung recht schnell und unübersichtlich war. Davon bin ich generell kein Fan und das empfand ich für einen Dora-Film recht ungewöhnlich.
      Das Finale (Cannibal Holocaust-Referenz) kommt dann hingegen schon sehr hart rüber und ist mit einer schönen Parallelmontage gefilmt.

      Dora hat beide Filme ja anscheinend als Experiment angelegt, mit wie wenig Geld und Zeit man einen Film drehen kann. Technich ist ihm dies auch wieder auf beeindruckende Weise gelungen.
      Für den nächsten Film würde ich mir aber dann doch wieder ein richtiges Drehbuch mit Handlung und Charakteren wünschen.

      Ich vergeb jetzt mal wohlwollende [film]4[/film] Punkten, hauptsächlich für die wirklich beeindruckenden Aufnahmen und die eigene Handschrift.