Mondo Candido

    • Mondo Candido



      Alternativer Titel: Blutiges Märchen
      Produktionsland: Italien
      Produktion: Camillo Teti
      Erscheinungsjahr: 1975
      Regie: Gualtiero Jacopetti, Franco Prosperi
      Drehbuch: Voltaire (Roman), Gualtiero Jacopetti, Franco Prosperi, Claudio Quarantotto
      Kamera: Giuseppe Ruzzolini
      Schnitt: Franco Letti
      Spezialeffekte: Giovanni Corridori
      Budget: ca. -
      Musik: Riz Ortolani
      Länge: ca. 107 Minuten
      Freigabe: ungeprüft
      Darsteller: Gianfranco D'Angelo, Richard Domphe, Alessandro Haber, Jacques Herlin, José Quaglio, Sonia Viviani, Steffen Zacharias


      Inhalt:

      Candide, der ewig suchende verliebte Jüngling aus Voltaires Klassiker der Weltliteratur, findet sich an der frischen Luft wieder, nachdem er die ihm gewährte Gastfreundschaft auf einem gemütlichen Schloss durch allzu heftigen Cunnilingus mit Kunigunde, der Tochter des nicht sehr erfreuten Hausherren, strapaziert hat. Fortan führt ihn seine fantastische Odyssee quer durch Raum und Zeit, über Schlachtfelder in Ost und West, in die Arme der Inquisition und schließlich ins moderne Manhattan, stets seiner großen Liebe auf der Spur, die sich jedoch schon längst dem Gruppensex und Drogenrausch ergeben hat. So erkennt Candide die Welt endlich als lasterhaftes Spiegelbild ihrer heruntergekommenen Bewohner.


      Trailer:


      Deutsche DVD Fassung: 25.07.2011
    • Kritik:

      Gualtiero Jacopetti und Franco Prosperi zeigen zu Beginn Tierkadaver und auch lebende festgebundene Hühner, auf dem festlich gedeckten Tisch mit sehr gefräßigen reichen Menschen. Es gibt eine Entstellte zu sehen und zwar eine Frau mit 3 Brüsten. Ansonsten wird später einem Riesenkrokodil der Schwanz abgesäbelt, allerdings sieht das Krokodil nicht echt aus, ist es auch glaub nicht, dann hätte es sich richtig gewunden dabei. Mondo Candido ist ansonsten weniger Provokant als Addio Onkel Tom und die Mondo Cane Filme zuvor.

      Es geht zumeist um das befriedigen von Gelüsten, teils kommen sogar kitschige Seifenbklasen vor, was bei traumhaft schöner Naturkulisse, sehr stimmig eingefangene Bilder zeigt, was aber teils auch schon übertrieben wirkt. Der Film ist allerdings ziemlich konfus und streckenweise sinnfrei, ähnlich wie „Valerie“ vom Label Bildstörung ergibt der Inhalt wenig Sinn. Ein Neger wird hier in Ketten gezeigt und von Gefangenem wird unter Hierarchie Draht durchgebissen, die dann blutige Schnauzen haben und die Dialoge sind sehr defitig (schwarzhumorig), ähnliches hat man von den Regisseuren zuvor auch schon gesehen. Mondo Candito ist nichts für den Mainstream, trotzdem ist er nicht mein Ding, es ist mehr Kunst als Film. Immerhin verstörende Kunst in diesem Fall.

      [film]5[/film]
    • Bereits zu Beginn, als sich die gesamte Königsfamilie mit ihren Untertanen an einer reich gefüllten Tafel vollfrisst, musste ich sofort an Pasolinis 1972 erschienenen "Canterbury Tales" denken. Die Parallelen sind unverkennbar. Jacopetti & Prosperi überzeichnen die Szenen aber noch viel weiter. Als sich der Protagonist, Candide, mit der Tochter des Königs, Kunigunde, im Garten vergnügt, reißt dem der Geduldsfaden und er verbannt den Jüngling vom Hof. All das passiert in einer furchtbar komischen Szene, in der die ganze höfische Belegschaft einschließlich Priester, Schweinen und einem Koch mit gebratenen Hähnchen in Zeitlupe auf das Liebespaar zulaufen. Candide zieht in die Welt hinaus. Alleine erlebt er all ihre Schrecken, welche so gar nicht zur vom Hofphilosophen Pangloss beschrieben "besten aller möglichen Welten" passt. Candide erlebt Krieg, Folter und andere Abartigkeiten. Immer auf der Suche nach seiner geliebten Kunigunde, reist Candide von Preußen zur Inquisition, nach Amerika und Irland bis in den nahen Osten. Zeit und Raum vermischen sich, Candide bewegt sich in einer fiktiven Welt, in der alle diese Zeiten nebeneinander existieren.

      Bei den Preußen trifft Candide einen Inquisitor, welcher verfluchte Ähnlichkeiten mit dem Revolverheld aus El Topo hat. Neben Ähnlichkeiten zu Pasolini und Jodorowsky, wirkt der Film mit seinen Sexploitation Anleihen und Absurditäten wie ein surreales Märchen. Trotzdem schwebt über allem der Geist des Italienischen Genre Kinos.

      Als in Preußen ein Maler die Schlacht festhalten will (die Gegner sind übrigens moderne Soldaten mit Maschinengewehren), muss er aufgrund der ganzen Toten immer mehr rot auf das Bild malen. Am Ende klatscht er das ganze Bild voll roter Farbe. Den ganzen Film durch führen die beiden Regisseure so den Krieg ad absurdum. Ebenso als sie in Irland die Koexistenz von Alltäglicher Gewohnheit und blindem Religionskrieg zeige, offenbart sich der wahre Wert des Films. Menschen waschen sich in halb zerbombten Häusern, ein Anwohner beschwert sich bei zwei Soldaten über den Pistolenlärm, als sie gerade einen Mann erschießen. Solch beißend zynischen Humor habe ich selten erlebt.

      Mondo Candido erzählt im Kern vom Erwachsenwerden einer Gesellschaft. Als am Ende eine ganze Reihe popkultureller Symbole, darunter Hakenkreuz usw. vom Fluss fortgetragen werden, begreift es auch der Zuschauer. Pangloss erläutert es Candide, der mittlerweile nichts mehr mit dem naiven jungen Mann von früher gemein hat. Zuviel erlebter Schrecken spiegelt sich in seinem Gesicht wieder.
      Die beste Szene möchte ich hier trotzdem nicht beschreiben, die soll jeder selbst finden. Im Film gibt es genug davon.

      Inhaltlich hat Mondo Candido einiges zu bieten. Ob das der Vorlage anzurechnen ist weiß ich nicht. Trotzdem konnte ich mich mit der Inszenierung nicht ganz anfreunden. Trotz der ganzen Absurditäten erreicht es niemals den Surrealismus eines Jodorowskys. Mit dem Stil von Candido tat ich mich wesentlich schwerer als z.B. bei El Topo. Der Film ist zwar besser als der infantilere "Canterbury Tales" von Pasolini, eine Empfehlung spreche ich jedoch nur vorsichtig aus. Man muss schon ein großer Fan dieses recht eigenen Inszenierungsstils sein um den Film voll genießen zu können. Mir gelang das momentan noch nicht.

      [film]7[/film]
      What fools these Mortals be!
    • Wenn mich ein Film nicht richtig anspricht, könnte ich ihn keine 7 Punkte geben. lol Ansonsten aber gut geschrieben.
    • Ich schrieb ja nur, dass ich mit dem Film nicht völlig zurecht kam. Die 7 ist für mich hier recht eindeutig, wie gesagt, inhaltlich fand ich ihn sehr sehr gut.

      Sag bloß ich soll auch objektive und subjektive Punkte vergeben? :0:
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