Originaltitel: La nuit des horloges
Produktionsland: Frankreich
Produktion: Jacques Orth
Erscheinungsjahr: 2007
Regie: Jean Rollin
Drehbuch: Jean Rollin
Kamera: Norbert Marfaing-Sintes
Schnitt: Janette Kronegger
Maske / Frisuren: Anne-Marie Branca-Martiquet, David Scherer
Budget: ca.
Musik: Vincent Tulli
Länge: ca. 92 Min.
Freigabe: Ungeprüft
Darsteller: Ovidie, Françoise Blanchard, Dominique, Maurice Lemaître, Nathalie Perrey, Jean-Loup Philippe
Inhalt:
Eine junge Frau befindet sich auf einer Reise nach dem Schriftsteller Michael Jean, auf der sie sonderbare Gestalten und Figuren aus Jean's Welt begegnet. Sie weiss noch nicht, dass sie bald ein Teil davon wird, denn als Lebende wandelt sie allsbald mit den Gehäuteten, jenen Toten die nicht tot sind, in einer Scheinwelt umher, deren Eingang eine Standuhr ist. Wird sie sich dem Leben entziehen können, oder reizt sie der Tod mit all seinem Leben?
Zeit ist relativ, aber unsterblich...
Sie verschlingt uns und wir verschlingen sie...
Es sind die Toten, die von den Lebenden träumen, nicht umgekehrt.
Was kann oder muss man von einem Jean Rollin Film erwarten? Was gibt uns dieser Regisseur, der vordergründig in den 70ern und 80ern mit unzähligen Vampirfilm aktiv war, mit auf den Weg? Was ist seine Botschaft und was erzählen seine Filme? Gewiss sind diese Fragen, Fragen die nicht nur vom Unwissenden gestellt werden, sondern auch Fragen, die sich selbst der beinharteste Fan stellt, der sich immerzu seinen fantasievollen und surreal anmutenden Scheinwelten hingibt. Und dieses Hingebungsvolle ist auch sicher Grundvorraussetzung um zu geniessen, zu verstehen, zu erahnen, was Rollin inszeniert, denn Rollins Filme, falls man sie so nennen kann, sind Irrfahrten ins Unerklärliche, in Welten, in die man abtaucht, aber die man nicht versteht. Welten die man erfahren muss, um sich selbst zu verstehen, denn Rollins Filme sind persönliche Abbilder menschlicher Wünsche und Hoffnungen.
Gewiss sind Rollins Filme nicht leicht verdaulich, nie ein wirklich spannender Zeitmoment, aber dennoch so impulsiv, dass man nahezu hypnotisch hineingesogen wird. In ein Jenseits voller Leben, dass doch so unwirklich erscheint, dass man die Realität vergisst. Vielleicht ist das Rollins Vision, diese Vision unser Dasein voller innerlichem Sterben in eine zeitlose Welt voller Schutz zu retten. Aber eben nur im Film...so unwirklich, aber dennoch so persönlich.
Und so ist auch Rollins letzter Film "Die Nacht der Uhren" ein Film, auf den man sich einlassen muss, um Details zu erspähen, ist der Film ein persönlicher Überblick über das Schaffen, über die Persönlichkeit Rollins, seine Visionen, Trugbilder und Scheinwelten geworden, dass im Gesamten, seine ganze Karriere Revue passieren lässt. Und dabei lässt er seinen Seher wie immer alleine, um damit aber genau diese Gleichheit von Konsument und Protagonist zu vermitteln, ist die vermeintliche Dame in der ersten Szene, wohl genauso verwirrt und ahnunslos, wie der Seher selbst, der sich auf Reise begibt, die auch sie zweifellos beginnt.
Rollin zelebriert sein Rückblick nahezu dokumentarisch, nahezu so, als solle man sich in die Frau hinversetzen, die nun nach und nach verschiedenen Figuren aus den Filmen Rollins begegnet. Rollin kreiert dabei einen Grundplot, der mit dem Aufsuchen eines gewissen verschollenen und scheinbar toten Autors und Filmemachers Michael Jean zu tun hat, der natürlich mit Jean Rollin zu identifizieren ist, bringt uns die Reise der Frau, diese Suche nach dem Mann, der in einem Schloss der Uhren wohnt, verweilt und sinniert, Rückblenden alter Filme wider, die Rollin so ausmachten, um uns dabei in genauso unheilvoll, poetisch - theatralischer Symbolik, eben diese näher zu bringen und zu verzaubern.
Dabei spricht er nahezu zu seinen alten Schauspielern, die der suchenden Protagonistin helfen, um die Rollin Rätselei zu lösen, ist der Film an sich ein einziges Suchen nach der Lösung, was Rollin uns bewusst machen möchte. Wie oft drehte Rollin an diesem Strand, dieser Strand mit diesen Holzpfählen die aus dem Boden ragen, wie oft benutzte er Standuhren in seinen Filmen? Standuhren, die uns einsaugen, in eine Welt ohne Schmerz und Hass, in der uns der Tod die Liebe schenkt. Eine unheilvolle Symbolik. Wo Zeit nicht zählt und der Ozean, diese Weite unberührte und ruhige Weite uns verschlingt.
In Rollins Filmen steckten schon immer soviel Interpretationsmöglichenkeiten, dass man sich schnell davon abwenden dürfte, kann man persönlich nichts mit solch verwirrtem und verträumten Sleaze anfangen, denn Rollin packte den Horror des Lebens anders an, wie man nur zu eindringlich in seinem sehr persönlichen Film "Friedhof der toten Seelen (1973)" bewundern kann, wird auch dieser hier durchleuchtet, erklärt und zitiert, um auch viele andere seiner Filme in den Vordergrund zu bringen, die Rollin benutze, um seine Vision zu verkörpern. Ob Sexuall - Terror der entfesselten Vampire, Requiem of a Vempire, The living dead girl, Fascination oder der neuere Draculas Braut, alle waren sie Abbilder innerer Wünsche nach hingebungsvoller Liebe, dieser Zweisamkeit und doch der Grausamkeit, wie sie sich mit dem Leben vermengt, um uns zu vermitteln, dass wir Lebenden, viel eher die Toten sind.
Rollins Geschichten waren eben seltsame und bizarre Geschichten über lebende Tote und tote Lebende, dabei nie plakativ um in Brutalität zu versinken, sondern die Gewalt, diese ruhige Brutalität des Lebens schön zu inszenieren, was dabei immer erschreckend ästhetischen Charakter hatte, schaffte es Rollin immer sein Treiben in zwei Lichter zu rücken. Genauso ein Zwielicht das unsere Protagonistin erreicht, wenn sie im Schloss der Uhren ankommt, soll sie in den Mythos Rollin aufgesogen werden, um ihr Lebendes Dasein gegen den liebevollen Tod, einzutauschen, wo sie ohne Maske, im Raume der Gehäuteten, in Frieden verweilen kann. Der Raum mit den Gehäuteten ist freilich eine Anspielung auf Die nackten Vampire, zelebriert er hier eine unerklärliche Metamorphose von dem Menschen, gejagdt von Menschen gesteckt in Federviehmasken, ihr Innersten und Verletzliches verborgen, um sie dort hinzuführen, in den Tod, wo sie alles offenbaren. Eben so gehäutet, wie die Toten, die eigentlich nicht tot sind.
Rollin häutet sich, lässt die Hosen runter und zitiert sich selbst. Diese Irrfahrt ist sicher kein Erlebnis für jedermann, denn Rollins Filme sind ungewöhnlich, ungewöhnlich anders, einfühlsam, zweideutig, grausam und dennoch schön zu gleich. Ein Empfinden das nicht jeder Konsument teilen wird, und ich weiss immer noch nicht, wem man sowas empfehlen kann, aber wohl vielmehr Rollin Fans, verwirrten und nachdenklichen Poeten, oder Träumern, die vom Seelenheil im Jenseits träumen. Doch wartet:
Sind die Lebenden am Leben, und sind die Toten wirklich tot?
Rollin sagte eins:
Es gibt keine Vampire, es gibt nur Menschen.
Und sei Die Nacht der Uhren noch so bizarr und eigenwillig, gewisse Defizite sind zu verspüren, kann der Film in Sachen Optik nicht verschleiern, wie gering sein Budget gewesen sein dürfte. Aber das tut nichts zur Sache, wirkt das Alles so symphatisch und nahezu so wie Draculas Braut (2002), als wäre Die Nacht der Uhren in den 70ern gedreht worden.
Fazit:
Rollin lässt uns unheilvoll, einsam und allein Revue passieren, deckt das ein oder andere Rätsel seiner Symbolik auf und lässt uns wieder von seinen lebenden Toten, Untoten und Menschen träumen. Doch so ruhig, dass wir in die Bedeutungslosigkeit des Seins zerfallen, ohne dabei Zeit, Raum und Richtung zu bemerken...
81%